Deutsche Jugendliche stellen sich nach Einschätzung des deutschen Erziehungswissenschaftlers Heiner Barz (Düsseldorf) ihre religiösen Vorstellungen zunehmend selbst zusammen. Es gebe einen "Wandel hin zur Patchwork-Identität und auch zur Patchwork-Religion", betonte er kürzlich in einem Interview für die Website des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Das gelte auch für junge Leute, die in der römisch-katholischen Kirche verankert sind.
Die Vorstellung, es gebe eine Renaissance des christlichen Glaubens, entspreche nicht der Realität, meinte Barz mit Blick auf die weltweite Anteilnahme am Tod von Papst Johannes Paul II. und auf den Weltjugendtag: "Der grösste Teil der Jugendlichen interessiert sich nicht für Religion und Kirche". Auch Veranstaltungen wie Kirchentage und der bevorstehende Weltjugendtag hätten eher Eventcharakter. Den meisten Teilnehmern gehe es nicht nur um das gemeinsame Glaubenserlebnis oder gar um die Festigung des Glaubens.
Junge Menschen glaubten überwiegend das, was sie im "Diesseits" fühlen, erleben und wahrnehmen könnten, sagte der Leiter der Abteilung Bildungsforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. "Man glaubt an das, was man selber überprüfen kann. Dazu kommen dann die Dinge, die man fürs Leben braucht. Man braucht Freunde, Familie. Man braucht eine interessante und lukrative Tätigkeit. Also Erfolg und Zufriedenheit im Beruf und Sicherheit durch Freunde und Familie," erläuterte Barz.
Zur Frage ob Jugendliche denn mit der Figur Jesus noch etwas anfangen können, meinte Barz: Jesus gelte bei den heutigen Jugend als jemand, der Menschen mit seiner Ausstrahlung für sich begeistern konnte. "Aber eben als Mensch, genauso wie es heute beeindruckende Menschen gibt", so Barz: "Da steht Jesus auf einer Ebene mit dem Dalai Lama oder auch mit Eminem". Die Vereinnahmung durch die Kirche, die Jesus als Sohn Gottes präsentiert, sei für junge Leute ein religiöses Brimborium [eine Art Zauberformel], das sie heute einfach nicht mehr mitmachen.
Auch bei kirchlich engagierten Jugendlichen habe sich der Glaube verändert, so der Forscher. Sie interessierten sich inzwischen für Naturreligionen, heidnische Kulte oder Buddhismus und bauten Versatzstücke aus diesem Traditionsgut in ihren eigenen Glauben ein. Unter den christlichen Jugendlichen gebe es zwei Lager. Die einen gingen gerne zum Kirchentag und lebten zusätzlich ihre eigene Jugendkultur, die anderen seien "strenggläubig und asketisch".