Weder authentisch noch eine "Gute Nachricht" - Adventistische Theologen zum Judas-Evangelium

Silver Spring, Maryland/USA | 18.04.2006 | APD | International

Die Entdeckung einer 1.700-Jahre alten Kopie des Judas-Evangeliums sei weder eine "Gute Nachricht", noch handele es sich um ein authentisches Evangelium, so die Meinung adventistischer Theologen.

"Es war schon damals eine Häresie und es ist auch heute noch eine Ketzerei", meinte Dr. Gerhard Pfandl vom Biblischen Forschungsinstitut (BRI) der Weltkirchenleitung der der Siebenten-Tags-Adventisten. Pfandl befasst sich in seiner Tätigkeit auch mit nahöstlicher Archäologie.

Die Existenz eines so genannten Judas-Evangeliums war schon sehr lange bekannt. Bereits 180 nach Christus hatte Irenäus, der Bischof von Lyon, in seinem Werk "Gegen die Häresien" ausdrücklich vor der Lektüre dieses Evangeliums gewarnt.

Das vermutlich Ende des zweiten Jahrhunderts nach Christus entstande Manuskript des "Judas-Evangeliums" soll laut der US-amerikanischen National Geographic Society neue Einblicke in die Geschichte des frühen Christentums vermitteln. Die in dem Dokument erkennbare gnostische Sichtweise der Dinge sei zwar nicht neu, sei aber bislang nirgends so zugespitzt gefunden worden wie in dem Judas-Evangelium.

"Die Vorstellung, Judas habe Jesus helfen wollen, das wahre, geistig-geistliche Selbst, sein göttliches Sein, durch Aufgabe seines Körpers zu befreien, mag sich für viele interessant anhören, aber das entspricht nicht dem Evangelium," betonte Dr. W. Larry Richards, Direktor des Forschungszentrums für griechische Manuskripte am adventistischen Theologischen Seminar der Andrews-Universität (Berrien Springs, Michigan, USA). Das Denken der Gnostiker, das dieser Vorstellung zugrunde liegt, der Körper sei böse und müsse zerstört werden, um zur Erlösung zu gelangen, sei "ein sehr starker Angriff auf den Kern der Evangeliumsbotschaft", die auf geistliche, geistige und physische Gesundheit abziele, meinte Richards. Auch andere Werke, wie das Buch "Sakrileg" von Dan Brown, die sich heute grosser Beliebtheit erfreuen, enthielten gnostisches Gedankengut.

Richards weist auch darauf hin, dass solche Schriften wie das Judas-Evangelium schon vor langer Zeit von der christlichen Kirche abgelehnt und daher aus dem Kanon des Neuen Testaments ausgeschlossen wurden. "Der Kanon wurde im vierten Jahrhundert abgeschlossen. Wir glauben, dass Gott bei der Bildung des Kanons seine Hand im Spiel hatte. Jetzt, Jahrhunderte später, die Tür zur Aufnahme weiterer Bücher öffnen zu wollen, würde nur zum Chaos führen." Christen sollten nach Meinung Richards jegliches gnostische Denken ablehnen, weil es den Weg der Erlösung untergrabe.

Interessant für Christen sei das Judas-Evangelium nach Dr. Greg King, Professor für Religion an der Southern Adventist University in Collegedale (Tennessee, USA), aus einem anderen Grund, nämlich als Erfüllung der Warnung, die Paulus den Ältesten von Ephesus gab: "Denn das weiss ich, dass nach meinem Abschied reissende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen." (Apg 20,29.30) Dr. King weiter: "Ich finde es ironisch, dass der Grossteil der Wissenschaftler weltweit so begeistert auf diese Entdeckung reagiert, während wir so viel Wahrheit in der Heiligen Schrift, zu entdecken hätten, die aber häufig ignoriert wird."

Dr. Warren Trenchard, akademischer Vizepräsident der US-amerikanischen La Sierra University (Riverside, Kalifornien, USA), kommt zum Ergebnis: "Der Wert eines solchen Dokumentes liegt einfach darin, dass es uns hilft, unser Bild von der Vielzahl an christlichen Gedankenrichtungen, die es in der frühen Kirche gab, zu erweitern. Es vermittelt uns also den Aspekt einer wachsenden und sich entwickelnden Christenheit." [Redaktion: Elí Diez und Christian B. Schäffler für APD]

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