Versöhnung als Aufgabe der Kirchen Europas

Mikolajki/Polen | 01.06.2006 | APD | Religion + Staat

Versöhnung sei eine originäre Aufgabe der Kirchen, und die Kirchen machten in vielen Fällen die Gesellschaften Europas erst für Gesten der Versöhnung sprachfähig. Allerdings sei Versöhnung ein Prozess, dessen Dauer sich in Generationen bemesse, so das Ergebnis der 43. Jahrestagung des Evangelischen Arbeitskreises für Konfessionskunde in Europa (EAKE) im masurischen Mikolajki (Nikolaiken).

Delegierte aus 18 Kirchen und sieben ökumenischen Institutionen diskutierten die Frage von "Schuld und Versöhnung als Thema in den Kirchen Europas nach 1945". Dabei gehörten auch Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK in Genf) und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE in Berlin) zu den theologischen Experten aus 13 europäischen Staaten.

Bischof Janusz Jagucki beschrieb die schwierige Lage der gastgebenden Evangelisch- Augsburgischen (Lutherischen) Kirche in Polen, die rund 75.000 Mitglieder in sechs Diözesen zähle und sich einer in der öffentlichen Wahrnehmung bestimmenden römischkatholischen Kirche gegenübersehe. Dieses Zusammenleben in einer ökumenischen Dimension werde nach einer jahrhundertelangen Geschichte des Misstrauens erst durch Gesten der Versöhnung möglich.

In seinem Hauptvortrag wies Professor Harald Schultze (Magdeburg) darauf hin, dass das Thema "Schuld und Versöhnung" eine doppelte zeitliche Dimension "nach 1945" und "nach 1989" in sich trage. Dabei stellte er in Frage, ob sich Schuld wirklich "bewältigen" oder "aufarbeiten" lasse. Dem Versöhnungsprozess wohne immer auch eine religiöse Bedeutung inne: „Subjekt der Versöhnung ist nicht das Volk, sondern Gott.“ Das Versöhnungshandeln Gottes, wie es den Christinnen und Christen im Kreuzestod Jesu begegne, sei die Basis für die Bitte um Versöhnung von Menschen, Kirchen und Nationen untereinander.

In einem weiteren Referat wies der Wiener Professor Karl Schwarz vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf den langwierigen Prozess hin, der aus Anlass des 60. Jahrestages des Kriegsendes 2005 zu einem Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche in Österreich geführt hatte: "Die kollektive Lebenslüge, Österreich sei 1938 das erste Opfer Hilter-Deutschlands gewesen, behinderte viel zu lange eine ehrliche Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Geschichte."

In den Berichten aus den bei der Tagung repräsentierten Ländern wurde deutlich, wie langwierig der Prozess der Versöhnung sich darstellt. Die Kirchen könnten diesen Prozess fördern, viel zu oft seien sie aber auch Beteiligte oder gar Ursache von Verwerfungen.

Die 44. Jahrestagung des EAKE soll auf Einladung der italienischen Waldenser-Kirche im April 2007 in Torre Pellice stattfinden. Der 1962 gegründete Evangelische Arbeitskreis für Konfessionskunde in Europa (EAKE) wird vom Evangelischen Bund in Deutschland und Österreich, dem Protestantischen Konvent der Niederlande und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE/Leuenberger Kirchengemeinschaft) getragen. Vorsitzender ist der evangelische Superintendent Paul Weiland in Niederösterreich (St. Pölten).

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