"Die theologische Distanz zwischen den Freikirchen und der römisch-katholischen Kirche war in Deutschland besonders gross", sagte der Vorsitzende des Vereins für Freikirchenforschung, Professor Dr. Erich Geldbach (Marburg), in seiner Einführung zum Thema "Freikirchlich-katholische Dialoge" der Herbsttagung des Vereins vom 26. bis 28. Oktober in der Benediktinerabtei Niederaltaich bei Deggendorf. Erst in den letzten Jahren seien ethische Fragen aufgetaucht, bei denen die Freikirchen der römisch-katholischen Position eher als den Aussagen evangelischer Landeskirchen hätten zustimmen können. International scheine das anders zu sein, "denn es gab eine Reihe von freikirchlich-katholischen Dialogen". Diese theologischen Gespräche seien zwar noch nicht abgeschlossen, aber sie sollten dennoch zur Kenntnis genommen werden.
Die Pastorin einer Mennonitengemeinde im pfälzischen Weiherhof, Andrea Lange, berichtete über den mennonitisch-katholischen Dialog, der von 1998 bis 2003 unter dem Motto „Unterwegs zu einer Heilung der Erinnerungen“ zwischen der Mennonitischen Weltkonferenz und dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen der römisch-katholischen Kirche stattfand. Die Friedensfrage sei das Hauptthema des Dialogs gewesen. Beide Kirchen hätten viele Gemeinsamkeiten in der Friedenstheologie entdeckt. Es seien aber auch Aufgabenfelder für weitere Studien benannt worden. Es stehe jedoch noch nicht fest, ob und wann es zu einem zweiten internationalen Dialog über offene Fragen kommen werde. Das Schlussdokument der theologischen Gespräche von 1998 bis 2003 mit dem Titel „Gemeinsam berufen, Friedenstifter zu sein - Gemeinsam berufen, Frieden zu stiften“ ist im Internet unter www.mennoniten.de zu finden.
Den Dialog zwischen der Kommission für baptistische Lehre und zwischenkirchliche Beziehungen des Baptistischen Weltbundes und dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen in den Jahren 1984 bis 1988 stellte Professor Dr. Erich Geldbach vor. Noch in diesem Jahr solle mit einer zweiten theologischen Gesprächsrunde auf Weltebene begonnen werden. Die Furcht vor kirchlichen Strukturen, welche die Autonomie der Ortsgemeinde infrage stellen könnte, habe lange Zeit baptistische Dialoge mit anderen Kirchen verhindert. Das Hauptthema der Gespräche in den 1980er Jahren lautete "Christliches Zeugnis in der Welt von heute". Es sei also um Fragen der Mission und Evangelisation gegangen. Dass zwei so unterschiedliche Kirchen miteinander ins Gespräch kamen, sei laut Geldbach mehr als nur eine "Klimaverbesserung".
Die längsten Erfahrungen einer Freikirche im Dialog mit Rom haben die Methodisten. Wie der Dozent am Kolleg des CVJM in Kassel, Dr. Christoph Raedel, darlegte, „begannen die Gespräche des Methodistischen Weltrates mit dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen bereits 1966". Der Dialog habe bis 2006 acht Gesprächsrunden zu je fünf Jahren mit einem gemeinsamen Bericht pro Gesprächrunde umfasst. Anfangs sei es um ethische Fragen in einer säkularen Welt gegangen. Später habe die Zielsetzung volle Gemeinschaft in Glauben, Sendung und sakramentalem Leben gelautet. Dabei gehe es nicht um ein bestimmtes Kirchenmodell, sondern um sichtbare Gemeinschaft. Doch auch nach 40 Jahren Dialog gebe es Fragen, die noch nicht geklärt seien; etwa die Rolle der Laien, die Stellung zu den Sakramenten, das Wesen der Ordination und des Bischofsamtes. "Es mag sein", so Raedel, "dass sich diese Fragen zur Zeit auch nicht lösen lassen. "
Um informelle Gespräche ging es bei dem Dialog zwischen dem Rat für zwischenkirchliche und interreligiöse Beziehungen der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten und dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen. Laut dem Dozenten an der adventistischen Theologische Hochschule Friedensau bei Magdeburg, Dr. Rolf J. Pöhler (Hannover), habe 1999 ein Vorgespräch stattgefunden. Ein Jahr später seien mögliche Gesprächsthemen beraten und über die Organisationsstruktur der Adventisten sowie deren Auffassung zu Evangelisation, Proselytismus und Religionsfreiheit gesprochen worden. Die Themen der drei je zweitägigen Gesprächsrunden in den Jahren 2001 bis 2003 im John Knox Zentrum des Reformierten Weltbundes in Genf hätten gelautet: Die Glaubensüberzeugungen der Adventisten, warum Adventisten den Ruhetag am Sabbat (Samstag) und Katholiken am Sonntag begehen sowie Prinzipien der Bibelauslegung. Zeitpunkt und Themen der nächsten Begegnungen stünden noch nicht fest. Nach Pöhler böten sich folgende Themen an: Fragen der Anthropologie (Leib-Seele-Dualismus, Tod und Auferstehung, Unsterblichkeit), der Soteriologie (Rechtfertigung, Heiligung, Versöhnung), der Ekklesiologie (Kirche, Ämter, Sakramente), der Eschatologie (Wiederkunft Christi, Weltvollendung, Endzeitprophetie), aber auch ethische Fragen.
Hans Gasper (Bonn), Geschäftsführer der Ökumene-Kommission der katholischen deutschen Bischofskonferenz, führte in Niederaltaich in den Dialog zwischen Pfingstlern und Katholiken ein. Dieser unterscheide sich von den Dialogen anderer Freikirchen dadurch, dass bei jeder Gesprächsrunde betont werde, dass es nicht darum gehe, eine strukturelle oder organische Einheit anzustreben, um der Befürchtung einer Vereinnahmung durch Rom vorzubeugen. Während katholischerseits der Päpstliche Rat für die Einheit der Christen federführend sei, würden die pfingstkirchlichen Teilnehmer entweder von ihren Kirchen offiziell entsandt oder deren Teilnahme sei nur geduldet. Andere nähmen lediglich als persönliche Delegierte teil, da sie keinen Rückhalt dafür in ihrer Kirche hätten.
Gerhard Bially (Düsseldorf), Herausgeber der Zeitschrift "Charisma", stellte die einzelnen Dialogrunden vor. Bei den internationalen Gesprächen zwischen 1972 und 1976 sei es schwerpunktmässig um die Fragen Taufe im Heiligen Geist, die Wassertaufe, Heilige Schrift und Tradition sowie den öffentlichen Gottesdienst gegangen. Von 1977 bis 1982 hätten sich die Teilnehmer über die Themen Zungenrede, Glaube und Erfahrung, Bibelauslegung, Heilen in der Kirche und Maria ausgetauscht. Von 1985 bis 1989 seien die Frage der Kirche als Koinonia (Gemeinschaft) und von 1990 bis 1997 die Themen Evangelisation, Proselytismus und gemeinsames Zeugnis diskutiert worden. Hans Gasper, der an der bisher letzten Gesprächsrunde in den Jahren 1998 bis 2006 mit den Schwerpunkten Glaube, Bekehrung, Umkehr, christliche Unterweisung und Erfahrung der Geistestaufe teilnahm, meinte zum gesamten Dialog, dass Katholiken und Pfingstler immer noch gegenseitig viele Fragen hätten, die beide Seiten herausforderten. Es blieben daher genug Themen für eine nächste Gesprächsrunde.
Über "Freikirchen aus Sicht der römisch-katholischen Kirche" sprach Professor Dr. Hans-Jörg Urban, bis zu seinem Ruhestand Leitender Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts Paderborn. Danach habe es ein Jahrhunderte altes katholisches Misstrauen gegenüber den Freikirchen gegeben, die als fremd empfunden worden seien. Eine Änderung hätte erst das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils gebracht. Im Bereich des praktischen Christentums gebe es grosse Übereinstimmungen zwischen den Freikirchen und der römisch-katholischen Kirche. Im Bereich der Glaubenslehre seien die Unterschiede dagegen noch gross. Dennoch gebe es Möglichkeiten des Miteinanders, etwa wenn es um das Studium der Bibel gehe.