Angesichts der weit verbreiteten Kriegsmüdigkeit in den USA hat Präsident George W. Bush mit drastischen Warnungen vor den Folgen einer Niederlage im Irak um Unterstützung für seine Politik geworben und gleichzeitig zur Einheit im Krieg gegen den Terrorismus aufgerufen.
In seiner Rede zur Lage der Nation sagte der Präsident am 23. Januar vor beiden Häusern des Kongresses in Washington, ein Scheitern im Irak wäre "ein Albtraumszenario für Amerika. Bush betonte, ein Sieg sei nach wie vor möglich. Die 20.000 zusätzlichen US-Soldaten seien notwendig, um die Lage im Irak zu stabilisieren.
Bush rief den Kongress ferner auf, "vereint im Willen zum Sieg" zu sein und den Gegnern des Landes geschlossen entgegenzutreten. Zugleich umwarb er die Demokraten, die nach der Wahl im November die Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat stellen, mit innenpolitischen Initiativen.
Der Präsident verteidigte seinen Plan für eine Truppenaufstockung im Irak, der im Kongress auf erhebliche Skepsis stösst. "Es steht immer noch in unserer Macht, das Ergebnis dieses Kampfes zu bestimmen", sagte Bush. Seinen umstrittenen Entschluss zur Verstärkung der US-Truppen im Irak habe er gefasst, weil er "die beste Aussicht auf Erfolg" verspreche.
Bush räumte ein, dass die US-Truppen im Irak angesichts der Gewalt zwischen den Volksgruppen inzwischen in einer schwierigen Lage seien: "Das ist nicht mehr der Kampf, mit dem wir im Irak angefangen haben, aber es ist nun einmal der Kampf, in dem wir gerade stehen."
Bush sagte dem Kongress und der Demokratischen Partei "enge Konsultationen" zu. Deswegen wolle er einen "Sonderbeirat zum Krieg gegen den Terror" ins Leben rufen, dem führende Kongressabgeordnete beider Parteien angehören sollen.
"Der Krieg gegen den Terror ist ein Generationenkampf, der bis weit über den Zeitpunkt hinaus anhalten wird, an dem Sie und ich unsere Ämter an andere übergeben haben." Gerade deswegen sei es "wichtig, dass wir zusammenarbeiten". Nach der Niederlage seiner Partei bei der Kongresswahl im Herbst stand Bush am Dienstag erstmals einem von Demokraten dominierten Kongress gegenüber.
In ihrer offiziellen Antwort auf die Rede des Präsidenten sprachen sich die Demokraten für eine "sofortige" Änderung der Politik aus, "die es unseren Kampftruppen erlaubt, den Irak bald zu verlassen". Die Mehrheit der Bevölkerung unterstütze den Krieg nicht mehr, sagte Senator Jim Webb, dessen Sohn im Irak stationiert ist.
Bushs Pläne für eine Truppenaufstockung im Irak werden nicht nur von den Demokraten, sondern auch zunehmend von Republikanern abgelehnt. Im Senat wird derzeit eine überparteiliche Resolution vorbereitet, die Bush zum Verzicht auf das Vorhaben auffordern soll.
Umfragen zufolge sind zwei Drittel der US-Bürger gegen den Plan. Nur noch ein Drittel ist mit Bushs Amtsführung zufrieden.
Im innenpolitischen Teil seiner Rede schlug Bush vor, den Benzinverbrauch der USA bis 2017 um ein Fünftel zu senken. Er wolle die Nutzung alternativer Energiequellen wie Biosprit fördern und die Autoindustrie zur Entwicklung sparsamer Modelle ermuntern.
Mit dem Fortschritt der Technologie könne das Land "die Abhängigkeit vom Öl verringern" und der "ernsthaften Herausforderung durch den Klimawandel" besser entgegentreten.
Als weiteres Feld für eine Zusammenarbeit schlug Bush eine Zuwanderungsreform vor. Der Präsident bekräftigte sein Vorhaben, den mehreren Millionen illegal in den USA lebenden Ausländern die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis zu gewähren: "Wir müssen unsere grosse Tradition als Schmelztiegel hochhalten, der neu Zugewanderte willkommen heisst und integriert."
Er bot dem Kongress eine "seriöse, ruhige und umfassende Debatte" über das Thema an. Bushs Pläne für die Reform waren in der vorigen Legislaturperiode am Widerstand seiner Republikaner gescheitert.
Auch in der Gesundheitspolitik will Bush Akzente setzen, die vor allem den mehr als 40 Millionen US-Bürgern ohne Krankenversicherung zugute kommen sollen. Der Erwerb einer Versicherung solle künftig durch Steuernachlässe vor allem für Familien erleichtert werden. Gerade für US-Bürger, die nicht durch ihren Arbeitgeber versichert werden, sollten die steuerlichen Anreize eine Hilfe sein.
Erstmals amtierte Afroamerikanerin als Protokollführerin
Zum ersten Mal war die Protokollführerin für die Rede des amerikanischen Präsidenten zur Lage der Nation eine Afroamerikanerin und gleichzeitig auch die erste Siebenten-Tags-Adventistin, die mit dieser Aufgabe betraut wurde.
Als historisches Ereignis bezeichneten die Medien den Umstand, dass mit Christina Anderson Smith aus Upper Marlboro im Bundesstaat Maryland erstmals eine Afroamerikanerin die offizielle Niederschrift der Präsidentenrede zur Lage der Nation Geschichte anfertigte.
Smith war während der letzten sechs Jahre als "Official Court Reporter" für das US-Repräsentantenhaus zuständig für die Erstellung der offiziellen Protokolle von Anhörungen (Hearings) und Sitzungen im Kapitol. Ihr Aufgabenbereich umfasste die wortgetreue Protokollierung und Transkription der Kongressverhandlungen, Sitzungen, Hearings und Wahlvorbereitungen. Smith ist Absolventin des adventistischen Oakwood College und Mitglied der adventistischen Emmanuel Brinklow-Gemeinde in Brinklow, Maryland.