"Die Art und Weise, in der Rom einmal mehr seinen Standpunkt unterstreicht, die einzig wahre Kirche zu sein, trägt sektiererische Züge," folgert der protestantische Theologe Ulrich Körtner in einem Kommentar der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". In letzter Konsequenz laufe die Haltung des Vatikans im Kirchenverständnis "auf eine Absage an die Ökumene" hinaus, stellt der Vorstand des Instituts für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien weiter fest. Dies sei letztlich "splendid isolation" statt "splendor veritatis", wie eine Enzyklika Johannes Paul II. hiess.
Wer geglaubt habe, Joseph Ratzinger werde, sobald er erst einmal Papst sei, für ökumenische Überraschungen sorgen, "dürfte nun endlich aus seinen Träumen erwachen", betont er im Kommentar weiter. Schon bei der Erklärung "Dominus Iesus" im Jahr 2000 – auf die in der Erklärung aus dem Büro der Glaubenskongregation "ausdrücklich Bezug genommen" werde – handelte es sich keineswegs um diplomatische Ungeschicklichkeiten des Vatikans, "sondern um theologischen Vorsatz" hält Körner fest. Die Reaktionen evangelischer Kirchenvertreter seien entsprechend scharf ausgefallen.
Trotzig werde den evangelischen Kirchen ihr vermeintliches "defectus ordinis", ihre angebliche Trennung von der apostolischen Sukzession vorgehalten, von der in Wahrheit keine Rede sein könne. Dass die römisch-katholische Kirche selbst an schweren Defekten leide – ihr fehlen der gleiche Zugang von Männern und Frauen zum geistlichen Amt, die paritätische Mitwirkung von Laien an der Kirchenleitung in Presbyterien und Synoden oder die Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Wahrheitsansprüche -, komme dem Vatikan nicht in den Sinn.
Körtner machte in seinem Kommentar – auch im Hinblick auf den Papstbesuch in Österreich im September - deutlich, "dass es eine Ökumene mit Rom, welche die Anerkennung des römischen Primats und die Bindung der Apostolizität der Kirche an die bischöfliche Amtssukzession der katholischen zur unabdingbaren Voraussetzung erklärt, niemals geben werde. Der Theologe wörtlich: "Sie existiert nur in der Fantasie katholischer Kirchenführer".
Wahre Ökumene beginne erst dort, wo Kirchen einander als Kirchen "im eigentlichen Sinne" anerkennen, wie es unter vielen Kirchen ja längst der Fall sei. Solange Rom den protestantischen Kirchen diesen Respekt verweigere, "schliesst es sich selbst aus dem Kreis der ökumenischen Familie aus".
Ökumenische Theologie zählt neben der evangelischen Fundamentaltheologie, Hermeneutik, Eschatologie und Apokalyptik zu den Forschungsschwerpunkten von Ulrich Körtner. Der 1957 in Hameln (Deutschland) geborene Körtner gilt auch als Bioethik-Experte und ist Mitglied in den Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät der Uni Wien und der Österreichischen Ärztekammer sowie in der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt mit. Im Jahre 2001 wurde er in Österreich zum "Wissenschaftler des Jahres" gewählt.