Mit der symbolischen Übergabe der Amtskette wurde Professor Dr. Johann Gerhardt am 29. Oktober feierlich in das Amt des Rektors der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg eingeführt. Gerhardt tritt die Nachfolge von Professor Dr. Udo Worschech an, der seit 1996 als Rektor wirkte.
In einem Resümee über seine Amtszeit umriss Altrektor Worschech die Aufgabe der Theologischen Hochschule Friedensau. "Neben wissenschaftlichen Diskussionen muss die Hochschule auch eine Theologie des Alltags formulieren. Pastoren dürfen nicht nur schlichte Diener der Kirche sein, sondern sind angehalten, eine zeitgemässe und relevante Theologie für Theorie und Praxis zu formulieren. Der Fachbereich Christliches Sozialwesen hat eine ähnliche Aufgabe, nämlich Alternativen für die Gesellschaft zu formulieren und nicht schlichte Diener sozialer Anstalten hervorzubringen."
Bereits am Vortag der feierlichen Amtsübergabe wurden Worschechs Forschungsbeiträge mit einem archäologischen Symposium gewürdigt. Als Professor für Altes Testament und biblische Archäologie forschte er schwerpunktmässig zur historischen Landeskunde der Region Palästinas. Seit 1983 führte er Oberflächenerforschungen und Grabungen östlich des Toten Meer durch, die massgeblich zur Erschliessung der Geschichte und Kultur dieser Region beitrugen.
In seiner Antrittsrede umriss der neue Rektor, Professor Dr. Johann Gerhardt, seine Zielsetzung für eine geisteswissenschaftliche Hochschule. "Eine Hochschule muss mehr sein als ein Ort der Ausbildung, nämlich ein Ort der Entfaltung", erläuterte er. Aufgabe des akademischen Diskurses sei es, dass Studierende durch ihre Fragestellungen zu eigenen Beantwortungsfähigkeiten gelangten und darin ihre spezifische Identität und Orientierung erfahren könnten. Nur eine selbstständig gewonnene Überzeugung könne die Grundlage für eine wahre Toleranz sein. In diesem Sinn möchte Gerhardt in seinem Amt nicht verändern, sondern fördern, nicht abschneiden, sondern pflegen.
Gerhardt, Professor für Pastoraltheologie, ist seit 1992 an der Theologischen Hochschule Friedensau tätig und amtierte bereits mehrere Jahre als Dekan des Fachbereichs Theologie und als Prorektor der Hochschule. In seiner Forschungstätigkeit befasste er sich schwerpunktmässig mit dem "Drop-out", dem plötzlichen Ausstieg von Pfarrern aus dem geistlichen Amt, sowie mit Ursachen und Formen religiöser Angstvorstellungen. "Ich glaube", so formulierte Gerhardt sein Credo, "an das Recht auf Bildung und an das Gute im Menschen. Ich glaube, dass die bedingungslose Annahme die Grundlage für Wachstum und Würde des Menschen ist." Sein Glaube, in dem er die unbedingte Zuwendung Gottes zum Menschen erfahre, befähige ihn, das Amt des Rektors anzutreten.
Der Staatssekretär im Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Valentin Gramlich, würdigte die elfjährige Amtszeit von Professor Worschech als wertvolle Kontinuität in der Entwicklung der Hochschule. Mit der theologischen Forschung und Lehre werde ein Standpunkt zum Leben erarbeitet. Aufgabe der Theologie sei es, mit ihrem Gedächtnis die Kultur zu prägen und der Gesellschaft eine Zukunft zu eröffnen. Professor Gerhardt vereine in seinem Rektorat Tradition und Zukunftsfähigkeit, so Gramlich. Die Hochschule habe eine herausragende Stellung unter den bisher wenigen Theologischen Hochschulen, die im Rahmen des Bologna-Prozesses bereits Bachelor- und Masterstudiengänge anbieten.
Als Vertreter des Studentenrats wies René Zywietz darauf hin, dass nur mit Studierenden eine Hochschule Gestalt gewinnen könne. „Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten“, erklärte Zywietz und bot im Namen der Studierenden eine enge Zusammenarbeit in „kritischer Loyaliltät“ bei der weiteren Entwicklung der Hochschule an.
Die 1899 gegründete Theologische Hochschule Friedensau umfasst die beiden Fachbereiche Sozialwesen und Theologie mit insgesamt elf wissenschaftlichen Instituten. Derzeit haben sich an der Hochschule 151 Studenten aus 29 Ländern in die Bachelor- und Master-Studiengänge Soziale Arbeit, Internationale Sozialwissenschaften, Beratungswissenschaften und Theologie eingeschrieben. Ausserdem sind ein voruniversitäres Studium in Kirchenmusik sowie Deutsch als Fremdsprache mit den Abschlüssen "Zertifikat Deutsch" (ZD) des Goethe-Instituts und "TestDaf" für den Hochschulzugang möglich.