Das Fürstentum Liechtenstein plant eine Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Regierungschef Otmar Hasler legte ein Konzept zur Entflechtung von Staat und Kirche vor. Verfassungsänderungen und neue Gesetze sollen das Verhältnis zwischen dem Staat und den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften in Zukunft neu regeln.
In der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, die 2003 nach einer Teilrevision durch Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde, geniesst die römisch-katholische Kirche unverändert eine besondere Stellung. Die römisch-katholische Kirche wird ausdrücklich als "Landeskirche" bezeichnet und geniesst "den vollen Schutz des Staates". Aus der jahrelangen Verfassungsdiskussion, die schwergewichtig über die Aufteilung der Machtverhältnisse zwischen Monarchie und Demokratie geführt wurde, blieb die Kirchen-Frage ausgeklammert. Die Trennung oder Entflechtung von Staat und Kirche bildete in den vergangenen zehn Jahren, insbesondere nach der Errichtung des katholischen Erzbistums Vaduz, aber dennoch ein aktuelles Thema.
Die Gesellschaft, ihre Zusammensetzung und auch die religiöse Lebenswelt habe sich in den vergangenen Jahrzehnten stark geändert, unterstrich Regierungschef Otmar Hasler bei der Präsentation des Reformkonzeptes. Eine Entflechtung von Staat und Kirche sowie eine Reform des Staatskirchenrechts seien im Interesse des Staates und der römisch-katholischen Kirche. Der Staat, dessen Bevölkerung unterschiedlichen Religionen angehöre, habe ein Interesse daran, sich neutral zu den einzelnen Religionen zu verhalten, um ein klares Signal abzugeben, dass die Religionsfreiheit auch die Freiheit vom Staat bedeute. Auf der anderen Seite habe sich auch die römisch-katholische Kirche verändert, indem sie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf Distanz zum Staat gegangen sei und die institutionelle Unabhängigkeit von Staat und Politik betone.
Das von Regierungschef Hasler vorgelegte Konzept für eine Neuordnung des Staatskirchenrechts sieht eine institutionelle Trennung von Staat und Kirche vor. Keine der anerkannten Religionsgemeinschaften soll in Zukunft noch in die staatliche Organisation eingegliedert sein und somit auch nicht der staatlichen Aufsicht unterstehen.
Das Reformpaket enthält eine Änderung der Verfassung, ein Religionsgesetz für die Beziehungen des Staates zu den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und ein Modell für deren Mitfinanzierung durch den Staat.
Als Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlicher Selbständigkeit und eigener Rechtspersönlichkeit sind vorgesehen: Die römisch-katholische Kirche, die evangelische Kirche und die evangelisch-lutherische Kirche. Allen anderen Religionsgemeinschaften steht grundsätzlich der Weg zur öffentlich-rechtlichen Anerkennung ebenfalls offen, sofern sie einige wesentliche Kriterien wie die Anerkennung der geltenden staatlichen Rechtsordnung und die Respektierung des Religionsfriedens erfüllen sowie eine bestimmte gesellschaftliche Bedeutung aufweisen.
Für die Finanzierung der öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften schlägt die Regierung ein Zwei-Pfeiler-Modell vor. Einerseits soll die Möglichkeit bestehen, dass die Religionsgemeinschaften finanzielle Unterstützung und auch Vergünstigungen des Staates für Leistungen erhalten, die sie für die Allgemeinheit erbringen. Anderseits bilden die freiwilligen Zuwendungen der Steuerzahler aus der Vermögens- und Erwerbsteuer den Kern der Religionsfinanzierung, die aber keine eigentliche Kirchensteuer vorsieht. Konkret bedeute dieses Modell, dass der Steuerzahler künftig entscheiden kann, ob er einen Teil seiner Vermögens- und Erwerbsteuer einer der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften zukommen lassen möchte oder nicht. Ist dies nicht der Fall, so steht der Steuerbetrag für den allgemeinen Staatshaushalt zur Verfügung.
Die Regierung bindet mit dem vorgelegten Konzept auch die Gemeinden in die Entflechtung von Staat und Kirche ein. In der Vergangenheit haben die Gemeinden einen grossen Teil der anfallen Kosten der römisch-katholischen Kirche getragen. Insbesondere die Besoldung der Geistlichen und den Unterhalt der kirchlichen Infrastruktur. Die historisch gewachsenen Leistungsverpflichtungen der Gemeinden sollen in gesonderten Entflechtungsverhandlungen gelöst werden.