Der Völkerapostel Paulus hätte in mindestens zwanzig Ländern mit Gefängnis oder Tod zu rechnen, würde er wie zu seinen Lebzeiten heute als Missionar tätig sein. Darauf wies die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) anlässlich des Paulus-Jahres hin, das am 28. Juni von Papst Benedikt XVI. zusammen mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios in der Paulusbasilika in Rom eröffnet wird und bis zum 29. Juni 2009 dauern soll. Die IGFM sieht in dem Jubiläumsjahr die Chance für ein Aufeinanderzugehen der Religionen und ein Aufbrechen der Abschottungspolitik durch Antimissionsgesetze. Insbesondere die Türkei, auf dessen Gebiet Paulus vor 2000 Jahren geboren wurde, sollte sich bemühen, eine den EU-Standards entsprechende Religionsfreiheit anzuerkennen und durchzusetzen.
In Ländern wie Nordkorea, Iran, Afghanistan oder Somalia würde Paulus wahrscheinlich getötet; in Ländern mit angewandter Anti-Missions-Gesetzgebung, wie Algerien oder Teilen Indiens, würde er für mehrere Jahre eingesperrt, so die IGFM. In Pakistan oder im Irak hätte er aufgrund aktueller Tendenzen die Wahl zwischen Aufgabe seines Glaubens oder seinem Verschwinden. Gefahren für missionierende Christen lauerten dort nach Angaben der IGFM durch die staatliche Gesetzgebung und durch nichtstaatliche religiöse Akteure.
Selbst in seinem Heimatland Türkei - Paulus wurde um das Jahr 8 n. Chr. in der Küstenstadt Tarsus geboren - wäre sein Überleben nicht gesichert. Als Hinweis führte die Menschenrechtsorganisation die nationalistisch-islamisch motivierten Morde seit 2006 an dem katholischen Priester Andrea Santoro, dem armenischen Zeitungsherausgeber Hrant Dink und den drei protestantischen Christen im Vorjahr in Malatya an. Immer wieder komme es vor, dass christliche Missionare und die christliche Mission in den Medien als Bedrohung des Türkentums schlecht gemacht würden.
Die IGFM sieht das Paulus-Jahr, für das auch Feiern in der Türkei ausgerichtet werden, als Chance, eine den EU-Standards entsprechende Religionsfreiheit durchzusetzen, wodurch entsprechend des Artikels 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die Freiheit gewährleistet würde, “seine Religion oder Überzeugung zu wechseln” sowie “seine Religion oder Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehen von Riten zu bekunden”.
Nach Ansicht der IGFM sollte der türkische Staat deshalb die seit 1971 verwehrte orthodoxe Priesterausbildung wieder zulassen, wozu beispielsweise auch die Wiedereröffnung des Priesterseminars auf der Insel Chalki gehöre, sowie den Kirchen einen ordentlichen Rechtsstatus und damit Rechtssicherheit gewähren. Die befristete Zulassung eines als Museum genutzten Gebäudes in Tarsus als Kirche und Verbesserungen des “Christen-Bildes” in Presseberichten und in Fernsehserien, wie dem “Tal der Wölfe”, seien in Europa positiv aufgenommen worden. Allerdings müssten auch die Schulbücher von historisch falschen und christenfeindlichen Passagen bereinigt werden.