Christen sind in nicht wenigen muslimisch dominierten Staaten Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt
Den Verfassern der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte war die Religionsfreiheit ein besonderes Anliegen. So gehört sie auch zum Kernbestand der Rechte, die 48 UN-Mitgliedsländer am 10. Dezember 1948 beschlossen.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft 60 Jahre nach der Erklärung eine tiefe Kluft, wie Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von Amnesty International (ai) Deutschland, bei der Vorstellung des ai-Jahresberichts 2008 in Berlin betonte. Auch 2007 hätten viele Regierungen das vor 60 Jahren gegebene Versprechen auf Gleichheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit nicht erfüllt", so die ai-Generalsekretärin. "Nicht zuletzt die Janusköpfigkeit einiger westlicher Regierungen im 'Krieg gegen den Terror' hat zu Rückschritten beim Menschenrechtsschutz geführt", sagte Lochbihler. "Es ist an der Zeit, dieses Versprechen einzulösen." Das gelte auch für die Religionsfreiheit.
Der Artikel 18 der Erklärung der Menschenrechte nennt die Religionsfreiheit gemeinsam mit der Gewissens- und Gedankenfreiheit. Dieses Recht schliesst "die Freiheit ein, seine Religion oder Überzeugung zu wechseln", sowie Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat zu bekennen.
Der ai-Bericht dokumentiert unzählige Verstösse aus dem vorigen Jahr gegen einzelne oder mehrere dieser Rechte und nennt Staaten wie China, Pakistan, Irak, Iran oder Ägypten. Betroffen sind vor allem Angehörige religiöser Minderheiten. Dabei kommen Staaten entweder nicht ihrer Schutzpflicht nach oder sie verfolgen die Glaubenden aus ideologischen Gründen aktiv - wie in Nordkorea.
Für China konstatiert ai: "Nach wie vor dürfen Millionen von Menschen ihre Religion nicht frei ausüben". Laut Studie sitzen 1.000 Personen in Verwaltungshaft oder verbüssen Gefängnisstrafen, weil sie ihren Glauben ausserhalb des staatlich sanktionierten Rahmens praktizierten. Gegen uigurische Muslime, tibetische Buddhisten und Mitglieder offiziell nicht zugelassener christlicher Kirchen geht Peking am härtesten vor.
Christen sind als Minderheitenreligion auch in nicht wenigen muslimischen Staaten der Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Das gilt derzeit besonders für den Irak. Übergriffe müssen Christen aber auch in anderen Ländern wie Pakistan erdulden, weil die Behörden aus Feigheit und Komplizenschaft nicht für ausreichenden Schutz sorgen. Aus Ägypten berichtet ai, dass die koptischen Christen weiterhin in allen Lebensbereichen mit Diskriminierungen leben müssen.
Neben der sozialen Isolation, die viele Konvertiten vom Islam zum Christentum erleiden, kritisiert ai Schikanen von Behörden. Aus dem Iran berichten die Menschenrechtler von Prügelstrafe für ein Ehepaar, das zum Christentum übertrat. Doch verfolgten die Behörden des Ayatollah-Regimes vor allem die Angehörigen der Bahai-Religion. Zur Türkei vermerkt der Bericht den Übergriff auf den kleinen christlichen Verlag in Malatya, bei dem jugendliche Islamisten drei Christen brutal ermordeten.
Nach 60 Jahren Menschenrechtserklärung zieht ai eine zwiespältige Bilanz. Dabei beklagt die Organisation vor allem den internationalen Vertrauensverlust der USA durch den Antiterrorkampf. Der EU wird eine Neigung zur Doppelmoral vorgeworfen. Lochbihler würdigte aber auch die Fortschritte. Die Menschenrechte hätten sich zu völkerrechtlich verbindlichen Normen weiterentwickelt - und zwar nicht als "westliche Werte", sondern als universelle Prinzipien. Nun sei es an der Zeit, die Versprechen der Menschenrechte unerbittlich einzulösen.
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Buch-Tipp:
Der Amnesty-Jahresbericht 2008 behandelt 150 Länder und umfasst 496 Seiten. Die deutsche Übersetzung "Report 2008 Zur weltweiten Lage der Menschenrechte" ist im S. Fischer Verlag erschienen (ISBN 978-3-10-000832-9) und im Buchhandel für CHF 27,30 bzw. EURO 14,90 erhältlich.