Eine hochrangig besetzte Theologen-Tagung befasst sich vom 22. bis 27. Juli in Prag mit dem lutherischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1949).
Die Konferenz unter dem Motto "Dietrich Bonhoeffers Theologie in unserer heutigen Welt - ein Weg zwischen Fundamentalismus und Säkularismus?" wird sich insbesondere auf jene Theologie konzentrieren, die der 1945 von den Nationalsozialisten hingerichtete Bonhoeffer während seiner zweijährigen Haft entwickelte. Dabei soll versucht werden, eine Antwort auf die Frage zu finden: "Wie kann Bonhoeffers Gefängnistheologie heute dazu helfen, dass Kirche und Welt weder zum Fundamentalismus noch zum Säkularismus abgleiten?"
Gastgeber der Tagung ist die Hussitische Theologische Fakultät der Prager Karls-Universität, Veranstalter die Internationale Bonhoeffer-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit englischsprachigen, deutschen, polnischen und niederländischen Sektionen. Als Kongressvorsitzender amtiert der britische Baptistenpfarrer und frühere Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Keith Clements (Portishead/Grossbritannien).
Den Eröffnungsvortrag hält am 22. Juli einer der bedeutendsten evangelischen Theologen der Gegenwart, em. Prof. Jürgen Moltmann (Tübingen), zum Thema "Enge Weite. Gefängnis und Gefangenschaft als Orte der Theologie". Die Vorträge am Mittwoch sind den Geistesströmungen Fundamentalismus und Säkularismus gewidmet; Referenten sind der lutherische US-Theologe Prof. Martin Marty ("Bonhoeffers Projekt: Fundamental, doch nicht fundamentalistisch; säkular, doch nicht säkularistisch") und der ungarische katholische Kirchensoziologe Prof. Miklos Tomka ("Säkularisierung oder Desäkularisation? Zur Transformation der Religion in vielfältigen Modernen").
Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau geboren. Er studierte evangelische Theologie in Tübingen, Rom und Berlin. 1933, als Hitler deutscher Reichskanzler wurde, war er Studentenpfarrer und Dozent in Berlin. Er wurde bald als Gegner des Nationalsozialismus ausgemacht und ging für zwei Jahre als Auslandspfarrer nach London. Er hielt jedoch die Kontakte nach Deutschland aufrecht, kehrte 1935 in seine Heimat zurück und leitete im Untergrund das Predigerseminar der "Bekennenden Kirche" in Finkenwalde. Der Theologe hatte bereits sehr früh begonnen, gegen die Diskriminierung und Entrechtung der Juden unter dem Hitler-Regime anzukämpfen.
Als Bonhoeffers zunehmend in die Enge getrieben wurde, arrangierten Freunde für ihn Dozenturen in den USA. Der Theologe entschied sich aber für eine Rückkehr nach Deutschland, weil er seine Kirche in der schwierigen Situation nicht allein lassen wollte. Zwischen 1939 und 1943 durfte er nicht öffentlich auftreten und nicht publizieren, er arbeitete aber im Untergrund weiter und suchte bei Auslandsreisen Hilfe für den Widerstand. Am 5. April 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet und zunächst in Berlin, dann im KZ Buchenwald und zuletzt in Flossenbürg inhaftiert. Der Märtyrer-Theologe wurde in der Morgendämmerung des 9. April 1945 gehenkt, obwohl die Mörder bereits wussten, dass ihre Sache verloren war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte Leben und Werk Bonhoeffers in zweifacher Richtung grosse Bedeutung: Seine Person wurde zu einem Angelpunkt in der Diskussion um den politischen Widerstand gegen die NS-Diktatur und die Rolle der Kirchen unter der Nazi-Herrschaft. Seine Theologie prägte entscheidend die theologische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, vor allem in den Bereichen Ökumene, Befreiungstheologie und "kontextuelle" Theologie. Besondere Bedeutung erlangten vor allem seine Briefe und Aufzeichnungen aus dem Gefängnis, zusammengefasst unter dem Titel "Widerstand und Ergebung", sowie sein 1949 posthum veröffentlichtes Werk "Ethik". In der Zeit der Haft radikalisierte Bonhoeffer den Bezug der Theologie auf Diesseitigkeit und konkretes Handeln und skizzierte ein Programm vom "religionslosen Christentum" und der "weltlichen Rede von Gott".
Weitere Informationen zum Kongress im Internet unter: http://www.bonhoeffercongress2008.cuni.cz