Oberhaupt der russischen Orthodoxie erlag einem Herzleiden
Der Moskauer Patriarch Aleksij II. ist im 80. Lebensjahr gestorben. Wie die Agenturen RIA Novosti und Kathpress meldeten, erlag das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche ersten Angaben zufolge in seiner Residenz in Moskau einem Herzleiden. Der Patriarch wollte vom 20. bis 23. Dezember Wien einen Besuch abstatten.
Aleksij II. stand seit 1990 an der Spitze der zahlenmässig grössten orthodoxen Kirche und hat ihren Wiederaufbau und ihre Erneuerung nach sieben Jahrzehnten kommunistischer Unterdrückung eingeleitet. Innerkirchlich suchte Aleksij dabei eine Balance zwischen reformorientierten Kräften und Strömungen, die stark konservativ, antiökumenisch und teilweise auch nationalistisch orientiert sind. Bereits vor mehreren Jahren traten gesundheitliche Probleme Aleksijs zu Tage.
Die Neuordnung des Verhältnisses zu Staat und Gesellschaft gestaltete sich für Patriarch Aleksij angesichts der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den neunziger Jahren zunächst schwierig. In den letzten Jahren, besonders nach dem Amtsantritt von Präsident Wladmir Putin als Staatspräsident, haben sich diese Beziehungen aber konsolidiert und deutlich verbessert.
Gespannt blieb dagegen bis das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche, auch wenn es in jüngster Zeit Annäherungen gab. Aleksij verteidigte den Anspruch der russischen Orthodoxie auf ihr traditionelles "kanonisches Territorium" und hielt den Katholiken vor, in Russland zu missionieren und orthodoxe Gläubige abzuwerben. Ein Treffen mit Johannes Paul II. und auch mit Papst Benedikt XVI. kam bis zuletzt nicht zustande.
Aleksij Michailowitsch Ridiger - Spross einer baltischen Adelfamilie - wurde am 23. Februar 1929 in der estnischen Hauptstadt Tallinn (Rewal) geboren. Nach seiner Ausbildung am Priesterseminar in St. Petersburg empfing er 1950 die Priesterweihe. Von 1961 bis 1986 war er Metropolit von Tallinn und Estland. Anschliessend wurde er Metropolit von St. Petersburg und Nowgorod. Am 7. Juni 1990 wählte ihn ein Landeskonzil aus sechs Kandidaten mit 166 von 317 Stimmen zum Nachfolger des verstorbenen Patriarchen Pimen und damit zum 15. Patriarchen von Moskau. Die Wahl dürfte seit langem die erste ohne staatliche Einmischung gewesen sein. In der Epiphanie-Kathedrale in Moskau wurde Aleksij am 10. Juni 1990 in sein Amt als Patriarch eingeführt.
Als Metropolit galt Aleksij galt zunächst als politisch unauffällig; im Geheimbericht über die orthodoxe Kirche, den Wasilij Furow vom Rat für die religiösen Angelegenheiten 1975 für das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei erstellte, ordnete er Aleksij in die Reihe jener Oberhirten ein, die "keine besondere Aktivität zur Ausweitung der Orthodoxie an den Tag legen". Der Metropolit änderte jedoch seine Haltung. Er war der erste hohe orthodoxe Amtsträger, der im September 1987 öffentlich Kritik an den Staat-Kirche-Beziehungen übte und gleiche Rechte für gläubige wie nichtgläubige Bürger forderte.