Die in Österreich staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften wollen sich in Zukunft vermehrt für eine solidarische und integrative Gesellschaft einsetzen. Das ist das Ergebnis eines Treffens von Vertretern aller 14 anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften mit Bundeskanzler Werner Faymann am 9. Juni in Wien. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sei das Verständnis füreinander wichtiger als die Gegensätze, betonte Faymann nach dem rund einstündigen Gespräch vor Journalisten. Nach Angaben von "Kathpress" dankte der Bundeskanzler den Religionsvertretern für ihre Bereitschaft, die Gemeinsamkeiten in Österreich zu stärken und kündigte für den Herbst ein weiteres Treffen an.
"Es geht um die Stärkung der Gemeinsamkeit sowohl in der Jugend wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen", sagte Kardinal Christoph Schönborn nach dem Treffen. Der katholische Wiener Erzbischof wertete die Begegnung, bei der man auch konkrete Initiativen besprochen habe, die nun intern weiter beraten werden sollen, als einen "ersten guten Schritt".
Mit dem Treffen zwischen dem Bundeskanzler und den Religionsvertretern werde nun auch in Österreich der kontinuierliche Dialog der politisch Verantwortlichen mit den Religionsgemeinschaften realisiert, freute sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker: "Es geht um die Frage, was Kirchen und Religionsgemeinschaften beitragen können für eine integrative Gesellschaft, die auch in wirtschaftlich nicht einfachen Zeiten die Solidarität stärkt gegenüber dem Auseinanderdriften und gegenseitigen Aufhetzen".
Die Religionsvertreter seien allesamt davon überzeugt, dass in der Vielfalt Bereicherung liege, sagte Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg nach dem Treffen. Die Religionen wollten ihren "geringen, aber nicht ganz unwichtigen Einfluss" einbringen. "Ein gutes Wort kann viel für die Förderung der Demokratie und des österreichischen Staates bewirken", meinte der Oberrabbiner.
Am Treffen im Bundeskanzleramt nahmen folgende Religionsvertreter teil: Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn (Römisch-katholische Kirche); Bischof Dr. Michael Bünker (Evangelische Kirche A. u. H. B); Bischof Dr. Nikolai Dura (Griechisch-orientale (=orthodoxe) Kirche; Oberrabiner Chaim Eisenberg (Israelitische Religionsgemeinschaft); Präsident Anas Schakfeh (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich); Bischof Dr. Mesrob K. Krikorian (Orientalisch-orthodoxe Kirchen in Österreich); Dr. Emanuel Aydin (Syrisch-orthodoxe Kirche in Österreich); Bischof Gabriel und Herr Mag. Samir (Koptisch-orthodoxe Kirche in Österreich); Bischof John Okoro (Altkatholische Kirche Österreichs); Superintendent Lothar Pöll (Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich); Präsident Viktor Wadosch (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen)); Mag. Rudolf Kainz (Neuapostolische Kirche in Österreich); Präsident Gerhard Weißgrab (Österreichische Buddhistische Religionsgemeinschaft) sowie Walter Schneeweiß (Jehovas Zeugen in Österreich).
Beim österreichischen Regelungsmodell für das Verhältnis von Staat und Kirche handelt es sich um das "Kooperationssystem". Staat und Kirche sind organisatorisch getrennt, kooperieren aber auf verfassungsrechtlicher Grundlage. Bei diesem System spricht man von einer hinkenden Trennung von Kirche und Staat.
In Österreich bestehen derzeit 14 gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften sowie zehn staatlich anerkannte religiöse Bekenntnisgemeinschaften (Baha’i – Religionsgemeinschaft in Österreich; Bund der Baptistengemeinden in Österreich; Bund evangelikaler Gemeinden in Österreich; Die Christengemeinschaft – Bewegung für religiöse Erneuerungen in Österreich; ELAIA Christengemeinden (ECG); Freie Christengemeinde/Pfingstgemeinde; Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten; Hinduistische Religionsgesellschaft in Österreich; Mennonitische Freikirche Österreich und Pfingstkirche Gemeinde Gottes in Österreich).