Die Plenartagung der Kommission für "Glauben und Kirchenverfassung" (Faith and Order) des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) ist am 14. Oktober in der Orthodoxen Akademie von Kreta (Kolymbari) zu Ende gegangen. Die Vollversammlung war vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. eröffnet worden. Im Mittelpunkt der Tagung stand das seit 1998 diskutierte Dokument "Wesen und Auftrag der Kirche - Ein Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Auffassung". Das Kommissionspapier soll bündeln, was in den verschiedenen christlichen Traditionen verstanden wird, wenn von "Kirche" die Rede ist. Ziel ist die Verabschiedung einer weiteren "Konvergenzerklärung", wie sie die ÖRK-Kommission 1982 mit dem so genannten "Lima-Dokument" über Taufe, Eucharistie und Amt (BEM) vorgelegt hatte.
Die rund 120 Teilnehmenden diskutierten über die thematischen Zusammenhänge zwischen den drei derzeitigen Studienprozessen "Wesen und Auftrag der Kirche", "Quellen der Autorität" und "Ethische Urteilsbildung in den Kirchen." Sie plädierten für mehr "Ekklesiologie von unten", die die Erfahrungen des Kircheseins in einem bestimmten Kontext einschliesst, anstatt die Kirche nur theoretisch von oben her zu beschreiben.
Den Studien und Texten von Glauben und Kirchenverfassung kommt keine eigene Autorität zu. Sie gewinnen in der ökumenischen Diskussion in dem Masse an Bedeutung, wie sie sich für die Kirchen in ihrer Auseinandersetzung mit theologischen und praktischen Fragen, die sie weiterhin trennen, als hilfreich erweisen.
Die Plenumsansprachen und die Berichte der Kommissionsmitglieder über die Gruppenarbeiten unterstrichen die zentrale ökumenische Bedeutung vom Wesen und Auftrag der Kirche.
Der orthodoxe Theologe Archimandrit Cyril Hovorun (Russisch-Orthodoxe Kirche) betonte vor dem Plenum, dass das Denken der Kirchenväter und das biblische Denken eng miteinander verknüpft seien. Er empfahl der Kommission, eine Studie auf den Weg zu bringen, die sich genau mit dieser Verbindung zwischen Bibeltext und früher Kirche beschäftigen soll. Zudem regte der Experte für Patristik an, ob nicht künftig „jedes wesentliche ökumenische Dokument in Verbindung mit relevanten patristischen Studien vorgelegt“ werden könnte. Das erhöhe die Bedeutung ökumenischer Äusserungen für Orthodoxe und traditionelle Katholiken, so Hovorun.
In seiner Rede sagte der britische Theologe Paul Collins (Kirche von England): Die vorgelegte Studie sei in der Art und Weise, wie sie ein einheitliches Lehrgebäude errichten wolle, gar kein Einheitsdokument. Vielmehr seien ganz unterschiedliche Ansätze darin vereinigt, um über die Grundlagen der Kirche nachzudenken. Da werde einmal von der Erfahrung her argumentiert, einmal von der Praxis und einmal vom Kontext. Der Anglikaner regte an, diese Herangehensweise zu einer ökumenischen Methode ausbauen: "Es liesse sich eine Methode entwickeln, in der verschiedene Ansätze zu Erkenntnis und Lehre nicht nur anerkannt, sondern als sich gegenseitig erhellend angesehen werden".
Als Kernpunkt für die Zukunft der theologischen Ökumene hob der methodistische Theologe Hermen Priyaraj Shastri den "Konsens in der Lehre über die Kirche" hervor. Zunächst müssten jedoch bis Ende Januar 2010 alle Stellungnahmen der Kirchen zu dem Dokument "Wesen und Auftrag der Kirche" abgewartet werden, betonte der aus Malaysia stammende Pastor. Die Kommission könne sehr nahe daran sein, den Kirchen dann einen Konsens vorzuschlagen.
Einheitsstreben: "Aufwendig, langsam und schmerzlich"
"Das Streben nach christlicher Einheit ist aufwendig, langsam und schmerzlich", betonte Metropolit Gennadios von Sassima (Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel): "Und doch gibt Gott uns in seiner Gnade Grund zur Hoffnung". Der Metropolit, der Vize-Vorsitzender des ÖRK-Zentralausschusses ist, betonte: Das "Charisma", die "besondere Gabe" der Kommission "Faith and Order" bestehe darin, dass sie in der Lage sei, sich mit schwierigen Fragen und einer grossen Vielfalt theologischer Sichtweisen auseinanderzusetzen. Dies sei dank der Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Geist der "Freundschaft und gegenseitigen Unterstützung" erreicht worden. "Es gibt viele neue Gesichter, die ältere Generation macht allmählich den Jüngeren Platz", stellte Metropolit Gennadios fest. Das Durchschnittsalter der 120 Mitglieder liegt bei 48 und rund 50 Mitglieder kommen aus der südlichen Hemisphäre.
Von Anfang an hätten die Orthodoxen bei "Glauben und Kirchenverfassung" intensiv mitgearbeitet, so der Metropolit. Unter den orthodoxen Beiträgen zum ökumenischen theologischen Dialog nannte er den Begriff der "Konziliarität", bei dem es um die zwischenkirchlichen Beziehungen in Gemeinschaft und Einheit im Glauben gehe, sowie die Theologie des Heiligen Geistes und die Betonung des trinitarischen Wesens Gottes.
Metropolit Gennadios räumt ein, dass es eine gewisse "Stagnation" oder "Krise" in der modernen ökumenischen Bewegung gebe, was zu einem "Gefühl der Frustration" führe. Man müsse sich aber auch vor Augen halten, welche Fortschritte erzielt worden seien. Der 1982 von der Kommission verabschiedete Text zu Taufe, Eucharistie und Amt (BEM) "war eine Revolution für die Kirchen," erklärt er. "Es ist der am meisten übersetzte ökumenische Text". In der orthodoxen Welt sei der BEM-Text zusammen mit anderen Ergebnissen der Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung als Grundlage in bilateralen Gesprächen mit anderen christlichen Konfessionen, wie Katholiken und Lutheranern, verwendet worden.
Für Metropolit Gennadios ist das zentrale Thema in der aktuellen theologischen Diskussion "zweifelsohne die Lehre von der Kirche". Es gehe um das Verständnis dessen, was es bedeutet, "die Eine Kirche zu sein, und das Wesen dieser Einen Kirche". Nach Ansicht des Metropoliten besteht das Ziel für die Orthodoxen nicht darin, "dass die Kirchen einander in naiver Weise näher kommen, sondern in der Einheit in Christus".
Die Kommission für "Glauben und Kirchenverfassung", die eine breitere Mitgliederbasis hat als der ÖRK, schliesst auch Kommissionsmitglieder ein, die der römisch-katholischen Kirche sowie den pfingstkirchlichen und evangelikalen Traditionen angehören. An der Plenarversammlung auf Kreta nahm auch der adventistische Theologe, Professor J.H. Denis Fortin, Dekan des Fachbereiches Theologie der Andrews Universität in Berrien Springs, Michigan (USA), teil.