Die Frage der Ordination von Frauen als Pastorinnen stehe nicht auf der Tagesordnung der 59. Generalkonferenz-Vollversammlung (Weltsynode) der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, die vom 23. Juni bis 3. Juli in Atlanta, Georgia/USA, stattfindet, teilte der Präsident der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), der norwegische Pastor Jan Paulsen (Silver Spring, Maryland/USA), mit. Eine Umfrage bei den 13 Kirchenleitungen auf kontinentaler Ebene ("Divisionen") habe gezeigt, dass nur drei von ihnen für eine Veränderung der aktuellen Handhabung, Frauen nicht zum Pastorendienst zu ordinieren, offen seien. Acht Divisionen meinten, ein solcher Schritt würde sich negativ auf die Mitglieder in ihrem Gebiet auswirken. Zwei weitere Divisionen hätten sich anscheinend nicht dazu geäussert. Aus Rücksicht auf die acht Divisionen, die eine "Untergrabung der Einheit der Kirche" in ihren Gebieten befürchteten, werde das Thema nicht in die Agenda aufgenommen, obwohl viele darauf hingewiesen hätten, dass sich einiges innerhalb der letzten zehn Jahre verändert habe. "Es ist ein Lern- und Wachstumsprozess im Gange", meinte Paulsen. "Vielleicht bedarf es eines Generationenwechsels, ich weiss es nicht."
Bekannter Evangelist predigt gegen Frauenordination
Laut der Gemeindezeitschrift "Adventisten heute" (Lüneburg) hielt im Februar Doug Batchelor, Hauptpastor der Sacramento Central Seventh-day Adventist Church in Kalifornien und gleichzeitig Präsident des kirchenunabhängigen Missionswerkes "Amazing Facts", eine Predigt mit dem Titel "Frauen als Pastoren: ein biblischer Überblick", die "Amazing Facts" im Radio, Fernsehen und Internet sendete. Darin lehnte Batchelor die Ordination von Frauen zum Pastoren- und zum Gemeindeältestenamt ab, da nach Gottes Willen die Frau dem Mann untertan sei. „Die Sünde kam in die Welt als Ergebnis davon, dass der Mann seine Frau vernachlässigte und dass die Frau die Führungsrolle ihres Ehemannes missachtete“, sagte Batchelor. Weiter wies er auf die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern hin. So habe der Mann beispielsweise mehr Nervenzellen im Gehirn als die Frau. Ausserdem läge laut dem „British Journal of Psychology“ der Intelligenzquotient bei Männern im Durchschnitt um fünf Punkte höher als bei Frauen. Auch wandte er sich gegen die Praxis der adventistischen Kirche in Nordamerika, die Ordination von Frauen mit Begriffen wie „Beauftragung“ zu umschreiben und zu praktizieren. Auf diesem Umweg könnten Frauen alles tun, was die männlichen Pastoren auch tun: „Sie taufen, sie leiten das Abendmahl, sie führen die heiligen Handlungen durch, von denen Gott ursprünglich gesagt hat, sie seien dem Mann vorbehalten.“
Stellungnahmen von Kirchenleitungen zu Doug Batchelor
Auf die Aussagen von Batchelor angesprochen, wies Pastor Jim Pedersen, Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in Nordkalifornien und somit Vorgesetzter von Batchelor, darauf hin, dass im Gebiet der Nordkalifornischen Kirchenleitung schon länger Frauen als Pastorinnen arbeiteten. Ausserdem habe die Vollversammlung der Adventisten in Nordkalifornien im Jahr 2002 beschlossen, der Weltkirchenleitung die Ordination von Frauen zu empfehlen.
Auch der Exekutivausschuss der Siebenten-Tags-Adventisten im Südosten Kaliforniens, der 169 Adventgemeinden vertritt, nahm am 25. März Stellung und zeigte sich sehr besorgt über die Art und Weise, wie Doug Batchelor das Thema Ordination von Frauen zum Predigtamt behandelt habe. Batchelors Darlegung stelle weder die Haltung noch die Praxis der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten dar. Sie sollte deshalb nicht unbeantwortet bleiben, als würde sie die Auffassung der Kirche widerspiegeln. Batchelors Darlegung stimme auch nicht mit der Ansicht führender adventistischer Theologen überein. Sie beleidige gottesfürchtige Frauen, die sich dem Pastorendienst gewidmet hätten und durch die Gott am Wirken sei. Sie missbrauche und verzerre die Heilige Schrift in vielfältiger Weise.
Die der Nord- und Südostkalifornischen Kirchenleitung übergeordnete Pacific Union Conference hat am 12. Mai durch ihren Exekutivausschuss den vom gleichen Gremium am 30. August 1995 getroffenen Beschluss bezüglich der Frauenordination ausdrücklich bestätigt. Laut deren Präsident, Pastor Ricardo B. Graham, der für die Adventisten in den US-Bundesstaaten Arizona, Kalifornien, Nevada, Utah und Hawaii zuständig ist, setze sich die Pacific Union Conference weiterhin dafür ein, dass die Weltkirchenleitung die Statuten so verändere, damit Männer und Frauen bei der Ordination von Geistlichen gleichgestellt werden und Frauen als ordinierte Pastorinnen Führungsaufgaben in regionalen und überregionalen Kirchenleitungen wahrnehmen können.
Offener Brief eines europäischen Kirchenleiters
Auch der Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in Grossbritannien, Pastor Don W. McFarlane, sah sich veranlasst, im Zusammenhang mit der Predigt von Doug Batchelor einen offenen Brief an die Pastoren und Gemeindeleiter in seinem Verantwortungsbereich in der Gemeindezeitschrift „Messenger“ vom 16. April zu veröffentlichen. Darin erinnert er an einen Beschluss der Generalkonferenz-Vollversammlung von 1881, der die Ordination von qualifizierten Frauen befürworte. 1975 sei während der Frühjahrssitzung der Weltkirchenleitung beschlossen worden, dass Frauen als Diakoninnen und Gemeindeälteste in den Divisionen ordiniert werden dürften, wo das „angebracht, möglich oder nutzbringend ist“.
In seinem offenen Brief erinnert McFarlane daran, dass nach der Ablehnung einer Regelung für die Gesamtkirche 1995 in Utrecht jeder Division die Möglichkeit eingeräumt worden sei, Personen unabhängig von ihrem Geschlecht für bestimmte Aufgaben zu ordinieren, deren Einsatz aber im Bereich der betreffenden Division beschränkt bleibe. Bei der letzten Herbstsitzung der Generalkonferenz im Oktober 2009 habe der Präsident der Nordasien-Pazifik-Division über das Wachstum der Siebenten-Tags-Adventisten in der Volksrepublik China berichtet, das nur dadurch zu bewältigen sei, dass Frauen sich führend als Pastorinnen und in der Evangelisation einbringen würden. Ausserdem zitierte McFarlane mehrmals die Mitbegründerin der Freikirche, Ellen G. White (1827-1915), die sich für den Dienst von Frauen samt „Handauflegung“ ausgesprochen habe.
Die adventistische Kirche in Grossbritannien unterstütze die Position der Generalkonferenz und distanziere sich von Batchelors Predigt, denn „nach unserem biblischen Verständnis sind es die Gaben des Heiligen Geistes, die uns für Führungsaufgaben qualifizieren, und nicht das Geschlecht“. Im Blick auf die Aussagen des Apostel Paulus, die den Eindruck erweckten, als seien bestimmte Aufgaben in der Gemeinde nur Männern vorbehalten, schreibt McFarlane, dass diese Texte im zeitlichen Kontext unter Berücksichtigung der damaligen Umstände auszulegen seien. Schliesslich glaube auch kein Adventist, dass die in der Bibel erwähnte Sklaverei heute in Ordnung sei. „Die allgemeine Sicht der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten bezüglich der Ordination von Frauen ist, dass die Bibel weder dazu ermutigt noch davon abrät, so dass die Gemeinde heute die grossen Prinzipien der Heiligen Schrift berücksichtigen muss. Nach unserem Verständnis stehen wir als Männer und Frauen ebenbürtig vor Gott. Christus hat die Mauer niedergerissen, die Juden von Nichtjuden, Sklaven von Freien, Männer von Frauen trennte.“
Mehrheit der weltweiten Adventisten gegen Frauenordination
Frauen können nach ihrem Theologiestudium in der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten zwar als Pastorin „gesegnet“ werden und damit fast alle Amtshandlungen, wie Taufe, Abendmahl, Trauung und Beerdigung, vornehmen; doch ordiniert werden nur männliche Geistliche. Während die Ordination von Pastoren weltweit innerhalb der Freikirche Gültigkeit hat, können Frauen als Pastorinnen nur in den Gebieten wirken, die zu einer Kirchenleitung gehören, welche die Segnung vornahm. Die Weltsynoden der Adventisten 1990 in Indianapolis/USA und 1995 in Ut¬recht/Niederlande hatten die Ordination von weiblichen Geistlichen mehrheitlich abgelehnt. Die Zulassung von Frauen als ordinierte Pastorinnen ist ausserhalb von Nordamerika, Westeuropa, China und Australien/Ozeanien, wo nur etwa 13 Prozent der weltweit über 16 Millionen erwachsen getauften Mitglieder leben, äusserst umstritten.
Zu der im Georgia World Congress Center in Atlanta/USA im Juni/Juli stattfindenden zehntägigen Generalkonferenz-Vollversammlung (Weltsynode) sind 2.488 stimmberechtigte Delegierte aus rund 200 Ländern angemeldet. Da die Geschäftssitzungen öffentlich sind, werden während der Woche bis zu 30.000 und an den beiden Wochenenden etwa jeweils 70.000 Besucher aus aller Welt erwartet.