Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und Leiter der römisch-katholischen Delegation, Erzbischof Kurt, Koch zog eine insgesamt positive Bilanz der heute in Wien zu Ende gegangenen Vollversammlung der katholisch-orthodoxen Dialogkonferenz. Allein die Tatsache, dass es überhaupt zu der Zusammenkunft der rund dreissigköpfigen "Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche" gekommen sei, wertete der vatikanische "Ökumene-Minister" in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" als "ganz grossen Fortschritt".
Gewiss gebe es weiterhin "verschiedene Lesarten" bei der Frage nach der Rolle des Bischofs von Rom im ersten Jahrtausend - so das offizielle Thema der Tagung -, im Mittelpunkt stehe aber die "Annäherung auf der menschlichen Ebene", denn "nur wenn man freundschaftlich miteinander umgehen kann, ist theologischer Dialog möglich", so Koch.
Die Situation im ökumenischen Dialog beschrieb Koch als "nicht leicht", da es eine "neue Generation von Glaubenden und Theologen" gebe, die den "Aufbruch in der Ökumene nicht erlebt" habe. Es fehle daher zum Teil jener Schwung des Aufbruchs, den etwa das Zweite Vatikanische Konzil vermittelt habe. Dazu komme, "dass die bisherige Ökumene sich auf die Erarbeitung von Dokumenten konzentriert hat", die Frage nach der konkreten Rezeption an der Basis aber zu wenig beachtet habe.
Dialog mit Lutheranern und Reformierten: "Keine gemeinsamen Ziele"
Zum Dialog mit Lutheranern und Reformierten betonte Koch, dass man dort "heute kein gemeinsames Ziel der Ökumene" mehr verfolge. Man habe sich ganz in der Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft "festgebissen". Da diese jedoch nicht möglich sei, "resigniert man und sieht nicht, was möglich wäre".
Ausserdem gebe es kein gemeinsames Einheits-Konzept mehr. Jede Kirche trage ihre eigenen Vorstellungen von Kircheneinheit in den Dialog hinein. Daher sei eine grundlegende "Besinnung darauf, was Kirche ist" notwendig. Koch wörtlich: "Ich vergleiche die ökumenische Bewegung gern mit einer Reise im Flugzeug. Da gibt es einen rasanten Start, wenn das Flugzeug in der Luft ist, hat man den Eindruck, es bewegt sich nichts mehr."
Dennoch bleibe bei allen ökumenischen Dialogen die Einheit der Kirchen das erklärte Ziel. Dies sei schliesslich "der Auftrag Jesu, den wir zu erfüllen haben". Die Kirchen hätten "gar keine andere Wahl". Resignation, so Koch, sei "der Ungeist in der Ökumene".
Es mangele jedoch auch innerkatholisch an Schwung, so Koch weiter. "Was die Kirche heute braucht, ist eine grundlegende Erneuerung von innen her." Dies bedeute eine Neubesinnung darauf, was ihre eigentliche Aufgabe darstelle - etwa das "Gottesbewusstsein" in einem stark säkularisierten Europa wach zuhalten "und gegen den Trend, den Glauben zu marginalisieren, aus der Öffentlichkeit wegzudrängen, Widerstand zu leisten."
Zu den "schwer vermittelbaren Fragen" der kirchlichen Lehre zählte Koch die Frage nach dem Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen. Diese Frage sei eine "Kreuzesfrage", sie laste besonders schwer, so Koch, "weil wir eine Weisung Jesu haben: Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht lösen. Wir müssen dieser Weisung treu bleiben und die Realität der Menschen sehen. Ich sage mit dem Wiener Kardinal Schönborn: Wir haben die ideale Lösung noch nicht gefunden."
Papst Benedikt XVI. ernannte den 60-jährigen Schweizer Kurt Koch am 1. Juli 2010 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und verlieh ihm aus diesem Anlass den Titel eines Erzbischofs ad personam. Der frühere Basler Bischof nahm in Wien an der Vollversammlung der internationalen Kommission für den theologischen Dialog mit der orthodoxen Kirche teil. Dort vertrat er auch den erkrankten Leiter der katholischen Delegation und Amtsvorgänger, Kardinal Walter Kasper. Dem Bistum Basel steht Erzbischof Koch übrigens bis zur Wahl eines Nachfolgers als Apostolischer Administrator vor.