Der Vatikan hat sich für eine grundlegende Reform des internationalen Finanzsystems, die Schaffung einer globalen Aufsichtsbehörde zur Regulierung der Kapitalmärkte und für die Finanztransaktionssteuer ausgesprochen, wie Kathpress, Katholische Presseagentur Österreich, mitteilte. Es müsse eine Art "Globale Zentralbank" gegründet werden, die gegen unkontrollierbare "Schattenmärkte" vorgehe und für die Einhaltung ethischer Mindeststandards Sorge trage, heisst es in einem am 24. Oktober veröffentlichten Dokument des Vatikans. Das gut 40-seitige Schreiben des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden (Iustitia et Pax) trägt den Titel "Für eine Reform des internationalen Finanz und Währungssystems aus der Sicht einer öffentlichen Autorität mit universaler Kompetenz.“
Die internationale Finanzbehörde müsse eine "Logik der Nachhaltigkeit, des Friedens, des gemeinsamen Wohlstandes und des Einvernehmens" vertreten, heisst es in dem Dokument weiter. Dafür müssten eine Besteuerung finanzieller Transaktionen in Erwägung gezogen und neue Wege für die Kapitalausstattung von Banken gefunden werden. Auf diese Weise könnten waghalsige Finanzgeschäfte verhindert und die Entwicklung der realen Wirtschaft gefördert werden. Laut Kathpress wird auch ein Vorgehen gegen Steueroasen und Off-Shore-Handelsplätze gefordert.
Die Gründung einer globalen Zentralbank mit weitgehenden Befugnissen müsse der erste Schritt auf dem Weg zu einer politischen Weltautorität sein, heisst es in dem Dokument: "In einer Welt, der schnell voranschreitenden Globalisierung ist eine Weltautorität der einzig angemessene Bezugspunkt, der den neuen Gegebenheiten unserer Zeit und den Bedürfnissen der menschlichen Spezies gerecht wird.“ Anknüpfungspunkt für eine solche Institution könnten die Vereinten Nationen sein.
Das vatikanische Papier soll eine Handreichung für die Verantwortlichen der Welt und alle Menschen guten Willens sein, habe laut Kathpress der Präsident des päpstlichen Rates, Kardinal Peter Turkson, während der Vorstellung des Papiers gesagt. Dies gelte insbesondere mit Blick auf den G-20 Gipfel, der vom 3. bis 4. November im südfranzösischen Cannes stattfindet.
Der Mitautor des Textes, der römische Volkswirtschaftsprofessor Leonardo Becchetti, habe laut Kathpress an den vor kurzem publizierten Appell der "1.000 Ökonominnen und Ökonomen" aus 53 Ländern erinnert, die in einem Brief an die G-20-Finanzminister die Einführung einer Finanztransaktionssteuer gefordert hätten. Mit den Einnahmen sollten weltweite Armutsbekämpfung und Klimaschutz sowie die Folgenbewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise finanziert werden.
Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Appells gehören Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz sowie Professoren weltweit renommierter Universitäten, etwa von Harvard, Oxford, Cambridge, der Sorbonne, Berkeley und Kyoto. Unterschrieben hätten auch Jeffrey Sachs, Sonderberater des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon, Dani Rodrik, Professor für politische Ökonomie an der Harvard University, oder Christian Fauliau, langjähriger ranghoher Ökonom der Weltbank.
Finanztransaktionssteuer in Europa muss der Armutsbekämpfung dienen
Eine Finanztransaktionssteuer in Europa müsse der Armutsbekämpfung dienen, haben bereits am 17. Oktober die Vorsitzenden der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), Prälat Dr. Bernhard Felmberg und Prälat Dr. Karl Jüsten gefordert. Sie baten die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) sowie die Kommissionen der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE), als Kirchen im europäischen Verbund die Einführung der Finanztransaktionssteuer zu unterstützen und darauf zu drängen, einen Teil der Einkünfte für die Bekämpfung der Armut weltweit und zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele einzusetzen.
Es gehe um die Übernahme von Verantwortung für das Elend derjenigen, die für die Entstehung der Finanz- und Schuldenkrise nicht verantwortlich seien, aber unter den Folgen massiv zu leiden hätten.
„Wenn wir unseren Staat und die Europäische Union auf christliche und humanitäre Grundwerte bauen, dann sind wir auch dem Anliegen der weltweiten Gerechtigkeit, den Menschenrechten und der Option für die Armen verpflichtet“, heisst es im Brief der GKKE-Vorsitzenden.
Laut der Pressemitteilung der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung setze sich die GKKE zum einen wegen der regulierenden Wirkung der Steuer auf die Finanzmärkte für eine Finanztransaktionssteuer ein, zum anderen sollten aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit die Erträge der Steuer zumindest teilweise für die Armutsbekämpfung weltweit verwendet werden. Eine solche Steuer könne in absehbarer Zeit ein erhebliches Aufkommen generieren, aus dem auch die Mittel zur Erreichung des 0,7 Prozentziels des Brutto-Nationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt werden können, heisst es weiter in der GKKE-Meldung.