Die etwa 50 Mitglieder des Exekutivausschusses der Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in West- und Südeuropa („Intereuropäische Division“ – EUD) haben am 4. November während ihrer Jahressitzung in Madrid einstimmig beschlossen, die Ordination von Frauen als Pastorinnen zu befürworten. Damit folgten sie einer Empfehlung des Biblischen Forschungskomitees (Biblical Research Committee – BRC) der EUD.
Empfehlung des Biblischen Forschungskomitees
In der Empfehlung des BRC heisst es: „Weil die Ordination [von Frauen] nicht im Widerspruch zu den biblischen Lehren steht und weil sie dazu beitragen kann, die Erfüllung der Mission als Kirche zu fördern, denken wir, dass es Spielraum für die Kirche gibt, Frauen zum Pastorendienst zu ordinieren. Während die Kirche sich frei fühlt, ihre Organisationsstruktur auf der Grundlage biblischer Prinzipien so weiterzuentwickeln, dass sie ihren Auftrag erfüllen kann, ist es zugleich nötig, die Ordination nicht so sehr als eine lehrmässige oder biblische Frage zu betrachten, sondern vielmehr als ein Thema, das auf der administrativen Ebene zu behandeln ist. Über welche Entscheidung auch immer nachgedacht wird: Die grundlegende Einheit der weltweiten Kirche im Glauben und in der Praxis sollte erhalten bleiben.“
Der letzte Satz der Empfehlung des BRC sei laut Pastor Elí Diez-Prida, Chefredakteur der Kirchenzeitschrift „Adventisten heute“, so zu verstehen, dass es bei einer Entscheidung über die Frauenordination während der adventistischen Weltsynode (Generalkonferenz-Vollversammlung) 2015 in San Antonio, Texas/USA, nicht zu einer uniformen, weltweit identischen Lösung bei dieser Frage kommen müsse. Deshalb sei folgende Ergänzung in Madrid beschlossen worden: „Auf der Grundlage des Berichtes des Biblical Research Committees empfiehlt der Exekutivausschuss der Intereuropäischen Division die Ordination von Frauen zum Pastorenamt, und zwar unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der unterschiedlichen Länder/Verbände bei der Ausführung.“
Zur Intereuropäischen Division mit Sitz in Bern gehören die Adventisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie aus 13 weiteren Ländern West- und Südeuropas mit insgesamt 178.000 erwachsen getauften Mitgliedern in 2.527 Kirchengemeinden.
Forschungsauftrag für Theologische Hochschule Friedensau
Der Norddeutsche und Süddeutsche Verband der Freikirche in Hannover beziehungsweise Ostfildern bei Stuttgart hatten bereits 2012 der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg den Forschungsauftrag zur umfassenden Klärung, theologischer, historischer, religionspsychologischer und -soziologischer sowie kirchenrechtlicher Aspekte zur Frage der adventistischen Ordination von Frauen zum Pastorendienst erteilt. Die Hochschule liess daraufhin die Bachelorarbeit „Ordination von Frauen in der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten seit den 1970er Jahren“ sowie die Hauptseminararbeiten „Geisterfüllung und Geistesgaben im Neuen Testament – Ein Beitrag zur Diskussion über die Ordination von Frauen“ und „Die Bedeutung der Ordination von Frauen für Mission und Akzeptanz der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Mitteleuropa heute“ erstellen. Ausserdem verfasste der Jurist Tobias H. Koch das Gutachten „Die Bedeutung der Ordination in der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten nach weltweitem und deutschen Kirchenrecht unter besonderer Berücksichtigung der Ordination von Frauen“. Die Forschungsarbeiten wurden dem BRC der EUD für dessen Empfehlung zu Verfügung gestellt.
Nordamerikanische Kirchenleitung
Die Mitglieder des jährlich tagenden Exekutivausschusses der Nordamerikanischen Kirchenleitung (NAD) der Adventisten nahmen ebenfalls am 4. November den Bericht ihres Studienkreises zur Ordinationsfrage (Theology of Ordination Study Committee – NAD-TOSC) zur Kenntnis. Mit 182 zu 31 Stimmen stimmte der Exekutivausschuss den Empfehlungen des Studienkreises zu, wonach „alle Personen, Männer und Frauen, die Ordination als eine Bestätigung des Rufes Gottes erhalten sollen“, und dass die Nordamerikanische Kirchenleitung jeder kontinentalen Kirchenleitung („Division“) die Autorität zugestehe die am besten geeigneten Lösung für die Ordination von Frauen zum Pastorendienst zu finden.
Zur NAD gehören 1,1 Millionen erwachsen getaufte Adventisten in den USA und Kanada, die sich in 5.333 Kirchengemeinden zum Gottesdienst versammeln. Die Nordamerikanische Division war aufgefordert worden, wie die zwölf anderen Kirchenleitungen auf kontinentaler Ebene, bis spätestens Frühjahr nächsten Jahres eine Stellungnahme an den Studienkreis zur Ordinationsfrage (TOSC) der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) abzugeben.
Studienkommission auf Weltebene
Der Exekutivausschuss der Weltkirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten hatte 2012 eine Studienkommission eingesetzt, die sich bis Oktober 2014 mit der Theologie der Ordination befassen solle. Die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen sollten die adventistische Gemeindepraxis unter besonderer Berücksichtigung einer bisher noch nicht in der Freikirche möglichen Ordination von Pastorinnen einbeziehen. Die Ergebnisse würden im Oktober 2014 dem Exekutivausschuss der Weltkirchenleitung vorgestellt, der dazu Empfehlungen verabschiede, welche der adventistischen Weltsynode 2015 in San Antonio, Texas/USA, zur Abstimmung vorgelegt werden sollen.
Die Weltsynoden der Adventisten 1990 in Indianapolis/USA und 1995 in Utrecht/Niederlande hatten die Ordination von weiblichen Geistlichen mehrheitlich abgelehnt. Die Zulassung von Frauen als ordinierte Pastorin ist ausserhalb von Nordamerika, Westeuropa, China und Australien/Ozeanien, wo nur etwa 13 Prozent der weltweit fast 18 Millionen erwachsen getauften Adventisten leben, umstritten.