Die frühere Gemeindezeitschrift „Der Gärtner“ des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (BFeG) sei auch während des Ersten Weltkriegs wöchentlich erschienen, so Dietrich Ebeling, Chefredakteur von „Christsein heute“, der jetzigen BFeG-Zeitschrift, im Editorial der August-Ausgabe 2014. Deshalb lägen rund 1.600 Seiten aus den viereinhalb Kriegsjahren vor. Darin fänden sich aufschlussreiche und aus heutiger Perspektive nachdenklich stimmende Aussagen, wie in Freien evangelischen Gemeinden über das Kriegsgeschehen gedacht worden wäre. Laut dem „Gärtner“ seien auch viele Männer des BFeG einberufen worden. „1915 waren es 2.000 Gemeindemitglieder und Freunde bei rund 7.000 Mitgliedern in 70 Gemeinden.“ Beim Lesen dieser Zeitzeugen müsste die damalige positive Stimmung im Land dem Krieg gegenüber beachtet werden. Beide grossen Kirchen hätten in Deutschland den Krieg „als Anbruch einer neuen Zeit, als Fingerzeig Gottes“ bejubelt. So habe auch „Der Gärtner“ bis Kriegsende zur „Pflichterfüllung bis zum Äussersten“ aufgerufen. „Das sei keine leichte Kost“, gab Ebeling zu bedenken.
Der Historiker und Pastor i. R. des BFeG Hartmut Weyel hat in seinem Artikel „Die Urkatstrophe des 20. Jahrhunderts“ für ihn symptomatische Passagen des „Gärtners“ zusammengetragen. Gleich zu Beginn des Krieges habe die Zeitschriftenredaktion ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier um einen „gerechten Verteidigungskampf“ handele. Mit Genugtuung sei der Erlass des Kaisers zur Anordnung eines Bettages am 5. August 1914 zitiert worden, um Gott anzurufen, „dass er mit uns sei und unsre Waffen segne“. Die allgemeine Euphorie für den Krieg habe auch andere Bereiche im Bund Freier evangelischer Gemeinden ergriffen, etwa das Diakonissenwerk und die Soldatenmission. Die Predigerschule in Vohwinkel musste „vorläufig geschlossen werden“, da vier Schüler „zu den Waffen geeilt“ und weitere später folgten. Befremdlich mutet aus heutiger Sicht der Eifer der Soldatenmission an, auch ausländische Kriegsgefangene mit Bibeln und christlichen Traktaten zu versorgen. Dazu heisst es im „Gärtner“: Die „reichlich 150.000 französischen Gefangenen in unserem Land“, welche „die Wucht der deutschen Waffen kennengelernt“ hätten, sollten „nun aber auch etwas von der Liebe Christi kennenlernen, die in den Herzen der Gläubigen in Deutschland brennt“. Diese „Kriegsarbeit“ sei „in hohem Masse ein Friedenswerk“.
Andererseits habe „Der Gärtner“ aber auch von „Hemmungen des Gemeindelebens“ durch den Krieg berichtet. Etwa vom Ende der Chöre und der Jugendarbeit, von Überbelastung der Daheimgebliebenen, weil zunehmend Gemeindemitglieder und Mitarbeiter im Krieg waren. Manche Gemeindesäle waren mit Soldaten belegt, sodass Gottesdienste ausfielen oder in Privatwohnungen stattfanden. Nicht wenige Pastoren hätten ihre Gemeinden verwaist zurücklassen müssen oder freiwillig aufgegeben.
Für spätere Generationen, die das Grauen zweier Weltkriege nur aus Erzählungen kennen, sei unvorstellbar, mit welcher Euphorie Deutsche, auch aus Freien evangelischen Gemeinden, in den Krieg zogen, schreibt Weyel. Da selbst in der Freikirche der „Heldentod“ als schön und ehrenvoll gegolten habe, sei mit ihm eine Verharmlosung des Kriegshandwerks Hand in Hand gegangen, die jede mörderische Tat bereit gewesen wäre mit den Worten zu entschuldigen: „Es war doch Krieg!“ Die Verklärung des getöteten Soldaten zum aktiven Opfer, der sein Leben auf dem „Altar des Vaterlandes“ hingab, habe nicht selten der Verehrung christlicher Märtyrer geähnelt.
In einem weiteren Artikel „Die Frage nach Krieg und Frieden“ ordnet Hartmut Weyel in der August-Ausgabe von „Christsein heute“ seine Studien von 1.600 Seiten des „Gärtners“ aus viereinhalb Kriegsjahren theologisch ein. Er kommt zu dem Schluss: „Das Verhalten Freier evangelischer Gemeinden im Ersten Weltkrieg zu Krieg und Frieden entsprach weitgehend dem der Allgemeinheit, auch wenn theologisch bestimmte Fragen thematisiert wurden.“ Die Freikirche sei Luthers Ansicht gefolgt, dass das Kriegsamt ein „göttliches Amt“ sei. Zudem habe „Der Gärtner“ behauptet, dass sich „auf unserer Seite die gerechte Sache“ befinde. Deshalb sei der im Krieg stehende Christ ein „Werkzeug der Obrigkeit zur Verteidigung des Vaterlandes“. Da der Weltkrieg mit endzeitlich-apokalyptischen Ereignissen in Verbindung gebracht worden wäre, hätte man den deutschen Kriegsgegnern auch mit „Gottes Gericht“ drohen können. So war im „Gärtner“ die Aufforderung zu lesen: „Darum liebe Brüder, greift mit gutem Gewissen und festem Gottvertrauen zu den Waffen und geht euren Kameraden in Mut und Tapferkeit mit gutem Beispiel voran.“
Zum Thema „Christ und Pazifismus“ habe es in Freien evangelischen Gemeinden vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg kaum eine Diskussion gegeben, bemängelt Weyel. Entgegen einer notwendigen Einsicht in persönliche und kollektive Mitschuld an der Verherrlichung des Soldatenseins habe auch der „Gärtner“ noch 1929 einen „Kampf gegen die Kriegsschuldlüge“ geführt. So sei man im Einklang mit nationalen und rechtskonservativen Kreisen gewesen, die sich bemüht hätten, den Krieg zu rechtfertigen beziehungsweise mit der sogenannten „Dolchstosslegende“ die Niederlage zu erklären.
Die erste Freie evangelische Gemeinde entstand 1854 in Wuppertal. 20 Jahre später schlossen sich 22 Gemeinden zum Bund Freier evangelischer Gemeinden zusammen. Heute gehört der Bund zu den wachsenden Kirchen in Deutschland. Gegenwärtig zählt er 462 Gemeinden mit rund 40.000 Mitgliedern. Zum Bund gehören die Theologische Fachhochschule Ewersbach (Dietzhölztal), die Diakonischen Werke Bethanien (Solingen) und Elim (Hamburg), die Allianz-Mission (Dietzhölztal) und weitere soziale Initiativen. Die Bundeszentrale befindet sich in Witten an der Ruhr. Freie evangelische Gemeinden gibt es in über 20 Ländern. Mit ihren etwa 30 Mitgliedsbünden umfasst der Internationale Bund rund 450.000 Mitglieder.