Mennoniten von links und rechts des Rheins feierten am 8. November in der Heidelberger Hoffnungskirche der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) ein „Fest der Freiheit, der Toleranz und des Miteinanders“, denn vor 350 Jahren wurden die „Mennisten“ erstmals offiziell geduldet. Am 4. August 1664 unterzeichnete der Pfälzer Kurfürst Karl Ludwig in Heidelberg seine „Mennistenkonzession“ und legalisierte damit die Ansiedlung aus der Schweiz eingewanderter Täufer. Ehemals als Ketzer Verfolgte erhielten ein Bleiberecht und halfen beim Aufbau des im 30-jährigen Krieg zerstörten Landes.
Schon seit Kriegsende 1648 wären täuferische Flüchtlinge aus der Schweiz in die Kurpfalz eingesickert. „Ihr Aufenthalt war jedoch illegal, ihre Versammlungen verboten“, berichtete der Täuferhistoriker Wolfgang Krauss. In seinem Duldungserlass stellte der Kurfürst „verschiedene Absonderlichkeiten“ der „Mennisten“ fest, etwa dass „sie sich des Gewehrs und aller Kriegshändel entäussern“. Hatte der Pazifismus der Täufer und ihre Ablehnung der Kindertaufe sie auch in der Kurpfalz 100 Jahre zuvor noch den Kopf gekostet, so interessierte laut Krauss das jetzt nicht weiter, „weil wir zuvörderst Menschen und Untertanen benötigen, die das verödete Land wieder aufbauen und instand bringen“, so Kurfürst Karl Ludwig.
Zum ersten Mal formulierte 1664 mit der Kurpfalz ein bedeutender Staat in Süddeutschland ein Bleibe- und Existenzrecht für Menschen abweichenden Glaubens. Der Westfälische Friede von 1648 erwähnt nur Katholiken, Lutheraner und Reformierte als rechtlich zulässig. Mit der Bezeichnung „Mennisten“, nach dem Täuferführer Menno Simons (1496-1561), umging der Kurfürst die nach Reichsrecht noch immer drohende Todesstrafe für „Wiedertäufer“. Die Täuferbewegung, oft als „linker Flügel der Reformation“ bezeichnet, war hierzulande bis Ende des 16. Jahrhunderts durch unnachgiebige Verfolgung auch in der Kurpfalz ausgelöscht worden.
Die „Mennistenkonzession“ markiere, so der Täuferhistoriker, einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Freiheits- und Menschenrechte. Zeitbedingt zunächst als fürstliches „Privileg“ für eine Gruppe religiöser Nonkonformisten formuliert, mit manchen Einschränkungen und erhöhter Steuerlast versehen, könne sie jedoch als Vorläuferin der heutigen Grundrechte betrachtet werden. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Konkretion der Religions- und Gewissensfreiheit und seine Ausgestaltung im Zivildienst seien nach dem Zweiten Weltkrieg auch im Dialog mit den Mennonitengemeinden und auf dem Hintergrund ihrer Geschichte ins Grundgesetz aufgenommen worden.
Wolfgang Krauss merkte aber auch selbstkritisch an, dass die Duldung ein zweischneidiges Schwert gewesen sei. Die Mennoniten hatten einen Ort zum Überleben und konnten sogar wirtschaftlichen Erfolg erreichen. Doch sie hätten sich notgedrungen den Bedingungen der Duldung angepasst und so habe sich nach und nach die Entschiedenheit ihres Glaubens samt ihres an der Nachfolge Jesu orientierten Pazifismus relativiert. „Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine Rückbesinnung ein“, teilte der Historiker mit.
Das Dokument von 1664 sei immer noch aktuell. Es werfe ein Licht auf heutige Herausforderungen des Zusammenlebens, der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten sowie der Toleranz zwischen Religionen und Kulturen, betonte Krauss.
Das Fest „350 Jahre Mennistenkonzession in der Kurpfalz 1666-2014“ wurde in Heidelberg unter dem Motto „Ohne Gewehr und Krieg. Menschen, die aufbauen“ durchgeführt von der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden (ASM), dem Verband deutscher Mennonitengemeinden (VdM) und dem Mennonitischen Geschichtsverein (MGV).