Mit einem neuen Phänomen, nämlich die offensiv und unübersehbar zutage tretende Reaktion auf den als zunehmend bedrohlich wahrgenommenen Einfluss des Islam in Deutschland, befasst sich in einer Stellungnahme der Leiter des Instituts für Religionsfreiheit an der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg, Dr. jur. Harald Mueller. Die Protestbewegung PEGIDA („Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“) habe mittlerweile bis zu 15.000 Menschen zu Kundgebungen vereint, deren Stossrichtung in ihrer Tragweite noch nicht klar zu beurteilen sei. Doch wer verberge sich hinter diesen Aktionen? Strafrechtlich in Erscheinung getretene Provokateure, rechtslastige Politiker oder besorgte Bürger, die um die Identität der Gesellschaft fürchten und ihrer Unzufriedenheit mit den Antworten der Regierenden Ausdruck verleihen wollen?, fragt Mueller.
Das von PEGIDA am 10. Dezember veröffentlichte Positionspapier enthalte in seinen 19 Punkten überwiegend „Allerweltsfloskeln“, deren konkrete Umsetzung bislang nebulös bleibe, so der Jurist. So verständlich das Anliegen sei, sich gegen das Auftreten von extrem-islamischen Tendenzen zu wehren, müsse das, was in Dresden und anderswo derzeit geschehe, doch Anlass zu grosser Sorge sein. Es bestehe die Gefahr, dass fremden- und islamfeindliche Ressentiments zu einer Vergiftung der Gesellschaft beitrügen, die an Intensität weit über das hinausgehe, was durch extrem-religiöse Tendenzen tatsächlich bedroht sei.
Religionsfreiheit infrage gestellt
„Mittlerweile wird von den Ideologen des anti-islamischen Protests auch die Religionsfreiheit, wie sie von der Rechtsprechung deutscher Gerichte in ihrer Anwendungsbreite herausgearbeitet wurde, infrage gestellt“, betont Mueller. Religionsfreiheit werde diskreditiert als „Allzweckmodul“ der islamischen Verbände oder als „Hebel, um die Dominanz der deutschen Leitkultur zu brechen“ (Zitate von Hans-Thomas Tillschneider, „Patriotische Plattform“). Diese Sichtweise mache deutlich, dass der Umgang mit den Anliegen religiöser Minderheiten etwas sei, womit ein Teil unserer Gesellschaft Schwierigkeiten habe.
„Toleranz und Religionsfreiheit sind dann leicht zu bejahen, wenn es nur um Lippenbekenntnisse geht“, stellt Harald Mueller fest. Das genüge aber für das gesellschaftliche Zusammenleben nicht. Es sei vielmehr notwendig, im Respekt vor dem Fremden gegebenenfalls bereit zu sein, eigene Handlungsweisen und Gewohnheiten zu überdenken und vielleicht auch hier und dort abzuändern. „Das gilt sowohl für diejenigen, die schon hier sind als auch für jene, die zu uns kommen.“