Die Sonntagsallianz der Schweiz missbilligt den Entscheid des Bundesrats aufs Schärfste, in Einkaufszentren, die auf den Tourismus ausgerichtet sind, Sonntagsarbeit zuzulassen, schreibt die Allianz in einer Medienmitteilung. Der Beschluss sei gravierend, weil er dem Gesetz und der Verfassung widerspreche. Die Sonntagsallianz, in der sich 28 Organisationen kirchlicher, gewerkschaftlicher, parteipolitischer und gesundheitspolitischer Herkunft zur Verteidigung der Sonntagsruhe zusammengeschlossen haben, will deshalb an den Bundesrat gelangen.
„Die Sonntagsallianz missbilligt den Entscheid des Bundesrats, Sonntagsarbeit in jenen Einkaufszentren zuzulassen, die auf die ‚Bedürfnisse’ des Tourismus ausgerichtet sind“. Dies sei ein weiterer Schritt, „den Sonntag immer mehr zu einem Werk- und Einkaufstag zu machen, obwohl der Sonntag der einzige gemeinsame Ruhetag für die grosse Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist“, schreibt die Sonntagsallianz. Der Sonntag müsse weiterhin unter einem besonderen Schutz stehen und arbeitsfrei bleiben, um gemeinsame gesellschaftliche Aktivitäten, das familiäre und das religiöse Beisammensein als auch die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen.
Der Entscheid des Bundesrats stelle auf noch nie dagewesene Weise die rechtsstaatlichen Institutionen in Frage, denn die neue Verordnung wiederspreche laut übereinstimmender Meinung renommierter Rechtsprofessoren dem Gesetz, wenn nicht gar der Verfassung. „Die Empörung der Sonntagsallianz ist umso grösser, als der Bund den Angriff auf die Sonntagsruhe per Verordnungsänderung beschloss und es so der Bevölkerung verunmöglicht, sich an der Urne dazu zu äussern.“ Dies obwohl in den letzten Jahren in fast allen Kantonen mehr Sonntagsarbeit vom Stimmvolk abgelehnt worden sei.
Mehrere Mitglieder-Organisationen der Sonntagsallianz – insbesondere die Landeskirchen – seien nicht konsultiert und damit vor ein „Fait accompli“ gestellt worden. Deshalb verlange die Sonntagsallianz ein Treffen mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann, um ihm die Enttäuschung gewichtiger gesellschaftlicher Akteure über den Ausschluss aus diesem Verfahren und die grosse Sorge kundzutun, dass das gesamtgesellschaftliche Interesse immer öfter dem Profitstreben einiger weniger geopfert werde.
Adventisten und Sonntagsallianz
Die protestantische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Schweiz teile die Bemühungen der Sonntagsallianz gegen die Ökonomisierung des Lebens und deren Einsatz für gesundheitsfördernde und familienverträgliche Arbeitszeiten, sagte Pastor Herbert Bodenmann, Leiter Öffentliche Angelegenheiten und Religionsfreiheit der Freikirche in der Schweiz. Die Anliegen der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenwürde seien für Adventisten unter anderem im Sabbatgebot verankert. Adventistische Christen feiern im Unterschied zu anderen Christen nicht den Sonntag, sondern den Samstag (Sabbat), den biblischen Ruhetag.
„Gemäss dem protestantischen Schriftprinzip ‚sola scriptura‘, allein die Schrift, gibt es aus adventistischer Sicht keinen Anhalt für den Sonntag als Ruhetag in der Bibel“, so Bodenmann, da dieser historisch gesehen erst in nachbiblischer Zeit, ab Mitte des zweiten Jahrhunderts, aufgekommen sei.
Zudem seien Adventisten Vertreter der Trennung von Religion/Kirche und Staat. Religiöse Anliegen, die man mittels staatlicher Gesetze durchsetzen wolle, würden ihres eigentlichen Gehalts entkernt, nämlich das Ergebnis einer freiwilligen Gottesbeziehung und einer persönlichen Überzeugung zu sein, sagte der Pastor. Evangelium und christlicher Glaube beruhten nach dem Verständnis seiner Kirche auf Freiwilligkeit, der mit staatlichen Gesetzen nicht nachgeholfen werden solle. Die eigentliche Begründung des Sonntags als Ruhetag ist gemäss Bodenmann religiös motiviert, auch wenn dies heute mehr und mehr in den Hintergrund trete. Dies komme aber durch die vielen kirchlichen Organisationen in der Sonntagsallianz zum Ausdruck.
Die Religionsfreiheit schütze sowohl religiöse als auch weltanschauliche Überzeugungen von Menschen gleichermassen. Man könne nicht einseitig seine religiösen Anliegen schützen wollen, ohne dies auch anderen gleichermassen zuzugestehen. Die Forderung nach dem Schutz des Sonntags als Ruhetag sei einseitig, sofern nicht allen Menschen eine wöchentliche 24-stündige Ruhezeit gemäss ihrer jeweiligen Präferenz zugestanden werde. Damit wären auch die Anliegen religiöser Minderheiten wie Adventisten und Juden aber auch säkularer Menschen berücksichtigt, so Bodenmann.
Mitglieder der „Allianz freier Sonntag Schweiz“
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK-CH); Christlich-soziale Partei Schweiz; Evangelische Frauen Schweiz; Evangelisch-methodistische Kirche; Evangelische Volkspartei Schweiz; Gewerkschaft Syna; Gewerkschaft Medien und Kommunikation – syndicom; Gewerkschaft Unia; Grüne Partei Schweiz; Groupement romand de médecine, hygiène et sécurité au travail – GRMHST; IOGT Schweiz; Junge Grüne Schweiz; Juso Schweiz; Justitia et Pax, Kommission der Schweizer Bischofskonferenz; Katholische Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbewegung Schweiz; Personalverband des Bundes; Schweizerischer Bankpersonalverband; Schweizerische Evangelische Allianz; Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund; Schweizerischer Gewerkschaftsbund, SGB; Schweizerische Gesellschaft für Arbeitsmedizin; Schweizerischer katholischer Frauenbund; Schweizerischer Verein Sonntagsfeier; SIT – Syndicat interprofessionnel de travailleuses et travailleurs (Genf); Sozialdemokratische Partei Schweiz, SP; Sucht Schweiz; Theologische Bewegung für Solidarität und Befreiung; Travail.Suisse