Als vor 25 Jahren die Berliner Mauer fiel und die politischen Regimes des Ostblocks nacheinander zusammenbrachen, hätten viele darin den endgültigen Beweis gesehen, dass Systeme der Unterdrückung, der Ausbeutung und der Abschottung keinen Bestand hätten. Dieses historische Ereignis sei nicht zuletzt auch als grosser Sieg für das Menschenrecht auf Auswanderungs- und Reisefreiheit gefeiert worden, schreiben die Schweizer Bischofskonferenz, der Schweizerische Evangelische Kirchenbund, die Christkatholische Kirche der Schweiz sowie der Schweizerische Israelitische Gemeindebund in ihrem Aufruf zum Flüchtlingssonntag und Flüchtlingssabbat vom 20./21. Juni 2015.
Heute seien deutliche Stimmen zu vernehmen, dass die Welt seit dem Mauerfall zwar freier geworden, aber immer noch ungerecht und vor allem unsicherer sei. „Die vielschichtigen Formen der weltweit herrschenden sozialen Ungerechtigkeit und Unterdrückung und der unbändige Drang der Menschen, diesen Verhältnissen zu entfliehen und bei uns Zuflucht zu finden, verdichten sich heute in den Stichworten wie ‚Lampedusa’, ‚Stacheldrahtzaun von Melilla’ und ‚das Massengrab Mittelmeer’“, so der Aufruf.
Die Bibel überliefere zahlreiche Flüchtlingsschicksale: Menschen auf der Flucht vor politischen Machthabern, vor Hungersnöten und vor konkreter persönlicher Verfolgung. Sie verbinde diese Berichte mit der Aufforderung, fremde Menschen nicht zu unterdrücken, sondern ihnen Rechte einzuräumen. Laut dem Aufruf der Religionsgemeinschaften bekommen die biblischen Flüchtlings- und Wanderungsschicksale darüber hinaus eine göttliche Dimension: Gott liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung (5. Mose 10,18).
„Flüchtlingsströme lösen Ängste aus – Angst vor dem Fremden, Angst um die eigene soziale und politische Sicherheit. Diese Ängste sind verständlich“, schreiben die Landeskirchen und der jüdische Gemeindebund. Die Welt rücke zwar im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung und des technischen Fortschritts näher zusammen, sie sei jedoch zugleich gespaltener denn je.
Der diesjährige Flüchtlingssabbat bzw. Flüchtlingssonntag rufe dazu auf, unser Verhältnis zu Flucht und Migration nicht bloss entlang wirtschaftlicher Interessen zu gestalten. „Wir werden aufgerufen, mit Fremden eine Beziehungsgemeinschaft von gegenseitig Lernenden und sich Bereichernden zu wagen“, schreiben Bischof Markus Büchel, Schweizer Bischofskonferenz; Gottfried Wilhelm Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds; Bischof Dr. Harald Rein, Christkatholische Kirche der Schweiz; Dr. Herbert Winter, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund.