Mit dem Thema „Rüstungspolitik: Vernichtung von Arbeitsplätzen – Vernichtung von Menschenleben“ befasste sich am 23. September die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) bei ihrem Studientag in Kassel. Bei der Tagung ging es neben den Rüstungsexporten auch um die Rüstungskonversion, gemeint ist die Umstellung industrieller Betriebe oder ganzer Industriezweige der Rüstungsproduktion auf zivile Fertigung. Dieses Vorhaben möchte die EAK wieder stärker im Blick behalten.
„Es hat sich beim Studientag gezeigt, wie unterschiedlich die Sichtweisen bei diesem Thema sind“, bekannte der EAK-Bundesvorsitzende Dr. Christoph Münchow. Darum sei es wichtig, dass die in Kassel geführte Diskussion fortgesetzt werde. „Und dies ohne Denkverbote, ohne Scheuklappen und mit klaren Standpunkten“, forderte er.
Kassel bedeutender Standort der Rüstungsindustrie
Nicht ohne Grund sei Kassel als Ort des Studientages gewählt worden. In der hessischen Stadt sind mehrere Rüstungsunternehmen angesiedelt. Dafür stehen die Namen Henschel und Wegmann. Die Henschel-Werke, 1810 gegründet, produzierten schon früh Rüstungsgüter und sind heute Teil des Rheinmetall-Konzerns. Und Wegmann, 1882 gegründet, spezialisierte sich ebenfalls früh auf militärische Fahrzeuge. Das Unternehmen schloss sich mit Krauss-Maffei 1999 zu Krauss-Maffei Wegmann (KMW) zusammen. „Unsere Stadt ist ein bedeutender Standort der Rüstungsindustrie“, betonte der Kasseler Rechtsanwalt Michael Goldbach, der Mitglied der EAK ist.
Exportdruck für Rüstungsindustrie
Volkswirtschaftlich spiele die Rüstungsindustrie lediglich eine geringe Rolle, verdeutlichte Otfried Nassauer, Direktor des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS). „Die deutsche Rüstungsindustrie ist zu groß und auch zu klein. Zu groß, um nur den begrenzten Bedarf der Bundeswehr zu decken, aber zu klein, um alles zu liefern was die Bundeswehr benötigt“, so Nassauer. Darum sei dieser Industriezweig stark exportabhängig, was einen Exportdruck erzeuge, denn die Inlandsnachfrage reiche nicht aus. Vor diesem Hintergrund zu einer Konversion zu kommen, sei schwerer als man denke. Denn bevor die Rüstungsindustrie ihre Produktion verringere, versuche sie mehr zu exportieren.
Ernüchterung beim Thema Rüstungskonversion
Es gebe einige Beispiele für Rüstungskonversion. In Bremen wurde der Versuch unternommen, bei den Vereinten Flugbetriebe Werken (VFW), später MBB, nach dem Auslaufen der Tornado-Produktion und den schleppenden Verkäufen beim Airbus eine Konversion zu erreichen. Gewerkschafter, Parteien, Kirchen, Arbeitgeber, zivilgesellschaftliche Gruppen und Wissenschaft erarbeiteten gemeinsam Überlegungen für Alternativen, sodass ein Konversionsprogramm entstand. Aber nach 25 Jahren kam es zur Ernüchterung: Die Liegenschaftskonversion, gemeint ist die Nutzung früherer Kasernen für zivile Zwecke, habe zum Erfolg geführt, „doch in der Rüstungsindustrie selbst hat es keine nachhaltige Konversion gegeben“, so Manfred Nieft von der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion.
Auch in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg werde über Rüstungskonversion nachgedacht. Hier gebe es seit drei Jahren einen Prozess, bei dem Gespräche zwischen Rüstungsunternehmen, Beschäftigten, Politik und Gesellschaft geführt würden. Nächstes Jahr soll es zu ersten Vorlagen kommen. Ein Problem, dass sich auch hier zeige, sei die Zurückhaltung gerade aus den Gewerkschaften aus Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. „Für viele Gewerkschafter ist daher Konversion kein Thema“, betonte Otfried Nassauer.
Schließung von Rüstungsbetrieben keine Katastrophe
„Wenn beide Rüstungsbetriebe in Kassel schließen müssten, wäre das keine Katastrophe, die regionale Wirtschaft würde das verkraften“, meinte José Pinto von der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeine“. Aber er gab auch zu bedenken: „Warum sollte man ein erfolgreiches Unternehmensmodell aufgeben?“ Rüstung sei eine politische Frage, Konversion wäre derzeit kein Thema. Wenn die Politik entscheiden würde, dass die Rüstungsproduktion eingestellt werden sollte, erst dann würde Konversion in den Blick treten, betonte er.
„Rüstungskonversion ist kein totes Thema, sondern muss neu betrachtet werden“, entgegnete Boris Mijatovic, Sprecher der Kasseler Grünen. Allerdings könne das nicht losgelöst von den Exporten angesehen werden. „Rüstung ist kein Wirtschaftsgut, sondern Thema der Außenpolitik“, forderte er. Und Frank Skischuss vom Kasseler Friedensforum war der Überzeugung, dass es gerade auch Aufgabe der Friedensbewegung sei, hier Druck zu machen und Staat wie Wirtschaft dazu zu bringen, die Rüstung aufzugeben.
In Frieden leben dank Rüstung
„Wir brauchen die Rüstung. Dass wir hier 70 Jahre in Frieden leben, haben wir auch der Rüstung zu verdanken“, machte dagegen der Kasseler Diplom-Physiker Martin Bräutigam deutlich. Durch die Waffen würden auch Freiheit und Demokratie in Deutschland gesichert. Verständnis habe er dagegen für die Kritik an den Rüstungsexporten.
„Es ist ein kontroverses Thema, das hat dieser Studientag deutlich gemacht“, meinte Dr. Christoph Münchow. Darum sei es wichtig, an dieser Frage dranzubleiben, auch als Kirche. „Denn dann kann das Bibelwort von den Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden, auch Wirklichkeit werden.“
Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) ist innerhalb der „Konferenz für Friedensarbeit im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“ der Dachverband für jene, die in evangelischen Landeskirchen und Freikirchen für Kriegsdienstverweigerung und Friedensarbeit zuständig sind. Die EAK beschäftigt sich mit Fragen der Friedenstheologie, Friedensethik, Friedens- und Gewissensbildung sowie Friedenspolitik.