Ein Vertreter der libanesischen Baptisten hat die Christen in Europa aufgefordert, Flüchtlingen aus dem Nahen Osten ohne Ansehen der Religion zu helfen. Er verstehe die Ängste der Menschen in Europa. Dennoch gelte es visionär zu denken, sich für das, was Christus gelehrt habe, einzusetzen und seine Liebe allen zu zeigen, die sie brauchen.
Nabil Costa, Direktor des Dachverbandes Libanesischer Baptisten (LSESD), verstehe die Bedenken, ob die Europäer den Zustrom von Flüchtlingen bewältigen könnten. In seinem Appell „Von den Kirchen im Libanon an die Kirchen in Europa“, der vom Evangelischen Missionswerk in Deutschland (EMW) verbreitet wird, schreibt er: „In meiner Heimat Libanon wurden wir schon mit all diesen Ängsten konfrontiert und kämpfen immer noch mit diesen Fragen.“ Inzwischen bestehe ein Viertel der Bevölkerung im Libanon aus syrischen Flüchtlingen. Seit Beginn des Krieges in Syrien vor vier Jahren „kämpfen wir mit der Herausforderung, ihnen zu Nahrung, Unterkunft und Schulbildung zu verhelfen“. Costa bekennt, dass die Christen im Libanon anfangs Angst gehabt hätten, den geflohenen Syrern zu beizustehen, denn viele wären Muslime.
„Aber wir erkannten schnell, dass die meisten Flüchtlinge unschuldige Menschen sind, die in Frieden lebten und nichts mit diesem ganzen Krieg zu tun haben“, so Nabil Costa. Als Christen hätten sie nicht wegsehen können, während Unschuldige leiden. „Also überwanden wir unsere Ängste und teilten die Liebe Christi durch praktische Massnahmen wie die Versorgung mit Lebensmitteln, Decken, Öfen und Schulbildung.“ Es sei nicht leicht gewesen, aber mit Hilfe Gottes wären die Barrieren zwischen den Gemeinschaften überwunden und Christen und Muslime ermutigt worden, sich gegenseitig in einem freundlicheren Licht zu betrachten. „Wir haben unseren Glauben nicht verwässert“, betonte der Direktor des baptistischen Dachverbandes. „Im Gegenteil, wir stehen ein für die Werte, die Jesus uns im Gleichnis vom barmherzigen Samariter lehrte.“
Flüchtlinge sollen europäische Werte achten
Es werde auch in Europa Bewusstseinsbildung und Geduld auf allen Seiten erfordern, um Muslime, Christen und Menschen anderen Glaubens oder ohne Glauben zu befähigen, zusammenzuleben. Mitgefühl zu zeigen bedeute aber nicht, eigene Werte und Traditionen aufzugeben, stellte Costa klar. Die europäischen Christen müssten ihre Werte, Gesetze, Überzeugungen und kulturellen Systeme bewahren. Die eintreffenden Flüchtlinge sollten europäische Werte achten, nicht sie gemäss ihrer Vorstellungen ändern, während sie Hilfe erfahren. Wenn sie ihr neues Zuhause nicht schätzen, seien sie immer noch frei, zu ihrem alten zurückzukehren.
Wenn die Flüchtlinge am Ende in Europa bleiben, so hofft Nabil Costa, könnte innerhalb von zehn oder zwanzig Jahren eine neue Generation auf dem Kontinent entstehen, die sich eine friedliche Kultur zu Eigen mache. „Eine Kultur nicht der Rache und des Hasses, sondern eine, die ihnen ermöglicht, in Frieden mit allen Glaubensrichtungen zu leben.“ Die Art und Weise, wie Europa und die Kirchen auf die Flüchtlingskrise reagierten, werde nicht nur Auswirkungen auf das Heute haben, sondern auch auf die Zukunft der Muslime in Europa und auf diejenigen im Nahen Osten in den kommenden Jahrzehnten.