Der Vorsitzende der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, traf am 11. Januar in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi mit Vertretern von Parlament und Regierung zusammen, um Probleme der Religionsfreiheit zu diskutieren.
Vietnam sei laut Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz derzeit bemüht, das Verhältnis von Staat und Religion erstmals auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die verschiedenen Gesetzesentwürfe, die im Parlament diskutiert würden, hätten jedoch die Kritik der vietnamesischen katholischen Bischöfe hervorgerufen und seien auch aus Sicht von internationalen Einrichtungen unzureichend. In einigen Bereichen stellten die Entwürfe Verbesserungen für die Religionen in Aussicht, sie entsprächen aber nicht durchgehend den internationalen Standards zum Schutz von Religionsfreiheit, denen sich auch Vietnam durch internationale Vereinbarungen verpflichtet habe.
Katholische Kirche in der Gesellschaft wieder sichtbarer
In Begegnungen mit dem für Religionsfragen zuständigen Ausschuss des vietnamesischen Parlaments, mit dem staatlichen Komitee für religiöse Angelegenheiten und mit dem Präsidenten der Vaterländischen Front, in der die Massenorganisationen des Landes zusammenarbeiten, habe sich Kardinal Marx erfreut gezeigt über die Verbesserungen der vergangenen Jahre. So seien beispielsweise Zugangsbeschränkungen für die Priesterseminare faktisch aufgehoben worden. Auch wäre die römisch-katholische Kirche durch administrative Erleichterungen in der Gesellschaft wieder sichtbarer geworden.
Registrierungspflichten behindern kirchliches Leben
Umfangreiche Registrierungspflichten behinderten die katholische Kirche jedoch weiterhin in ihrem alltäglichen Leben. So sei in der Diskussion um das neue Religionsgesetz die Frage zentral, ob die Aktivitäten von Diözesen und Kirchengemeinden künftig weiterhin staatlicher Zustimmung bedürften. Auch die Errichtung neuer religiöser Institutionen, wie etwa die Gründung von Pfarreien, sei noch immer von staatlicher Zustimmung abhängig. In den Gesprächen von Kardinal Marx mit den Vertretern von Parlament und staatlichem Religionskomitee hätten die Behörden in Aussicht gestellt, diese Registrierungspflichten im neuen Religionsgesetz deutlich abzuschwächen. Das würde aus Sicht der katholischen Kirche in Vietnam einen großen Schritt zur Umsetzung der Religionsfreiheit bedeuten. „Ich bin dankbar, dass wir die Position der Kirche in einem offenen Austausch einbringen konnten“, erklärte Kardinal Marx im Anschluss in die Begegnungen mit den staatlichen Repräsentanten. „Ich habe an internationale Einsichten und an Erfahrungen erinnert, die in Europa hart errungen wurden. Gerade die Religionsfreiheit ist auch für den Transformationsprozess in Vietnam von herausragender Bedeutung“, so Kardinal Marx.
Kardinal Marx wies in den Gesprächen auf den Beitrag hin, den die katholische Kirche durch Kindergärten und soziale Dienste für die vietnamesische Gesellschaft leiste. Diese Dienste, so hoben Parlamentarier und Regierungsvertreter hervor, würden in Vietnam wertgeschätzt. Sie könnten noch wirksamer sein, so Kardinal Marx abschliessend, wenn der Staat den Religionen und den Kirchen die Religionsfreiheit umfassend gewährleistete und damit die Voraussetzungen schaffe, dass sich die Kirchen in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Bildung stärker engagieren könnten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz stattet der römisch-katholischen Kirche in Vietnam vom 9. bis 16. Januar einen Besuch ab.
Von den 93,4 Millionen Einwohnern Vietnams sind rund 50 Prozent Buddhisten, sieben Prozent römische Katholiken, 2,5 bis vier Prozent gehören zur Religionsgemeinschaft Cao Dai und ein bis zwei Prozent zählen zu den Evangelischen.
Im „Weltverfolgungsindex“ auf Rang 20 – Druck an Tieropfern teilzunehmen
Nach dem „Weltverfolgungsindex“ 2016 des überkonfessionellen christlichen Hilfswerkes „Open Doors“ befindet sich Vietnam auf Rang 20 der Länder, wo Christen am stärksten verfolgt würden. 2015 hatte Vietnam noch Platz 16 belegt. Die nun geringere Wertung liege jedoch nicht an einer verbesserten Verfolgungssituation, was auch durch eine höhere Wertung im Bereich Gewalt verdeutlicht werde. Die Triebkräfte der Verfolgung von Christen wären in Vietnam „kommunistische Unterdrückung“ und „exklusives Stammesdenken“. Etwa zwei Drittel der Christen, darunter 80 Prozent der Protestanten hätten einen Stammeshintergrund. Viele von ihnen gehörten dem Stamm der Hmong an. Der Druck, zu ihrem traditionellen Glauben zurückzukehren und an den Ritualen wie Tieropfern teilzunehmen, sei besonders in ländlichen Gebieten sehr gross. Ausländische und zugewanderte Christen würden von den Behörden überwacht. Christen aus traditionellen Kirchen seien Feindseligkeiten ausgesetzt. Mitglieder protestantischer Freikirchen stünden unter dem Verdacht, Spione des Westens zu sein. Für Christen gehöre die Diskriminierung am Arbeitsplatz, in Schulen und in der Nachbarschaft zum Alltag, so „Open Doors“.
Aber auch Gewalttaten habe es gegeben. Im November 2014 seien in der Provinz Binh Dhuong eine Mennonitenkirche sowie etliche kleine Hauskirchen zerstört worden. In der Provinz Kon Tum habe es Wohnhäuser von Christen betroffen. Es gebe auch Meldungen über Körperverletzungen. So seien im Juni 2015 in Nordvietnam christliche Arbeiter auf dem Nachhauseweg von einer Beerdigung von Maskierten zusammengeschlagen worden. Es liege der Verdacht nahe, das diese im Auftrag örtlicher Behörden gehandelt hätten. Mindestens 200 Montagnard-Christen wären aus ihren Häusern in Zentralvietnam über die Grenze nach Kambodscha geflohen, weil sie von den Behörden stark unter Druck gesetzt worden seien, heisst es im „Weltverfolgungsindex“.
Siebenten-Tags-Adventisten - Probleme mir freiem Samstag
In Vietnam gibt es auch 11.600 erwachsen getaufte Siebenten-Tags-Adventisten in 15 Kirchengemeinden. Laut dem „Religious Freedom World Report“ 2015 der adventistischen Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) in Silver Spring, Maryland/USA, ist in Artikel 70 der vietnamesischen Verfassung die „Freiheit des Glaubens und der Religion“ jedes Einwohners festgeschrieben. Es stehe jedem frei religiös zu sein oder auch nicht. „Alle Religionen sind vor dem Gesetz gleich. Gesetzlich geschützt sind Orte der Gottesverehrung.“ Dennoch komme es vor, dass Christen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert oder sogar inhaftiert würden. Die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist in Vietnam seit 2006 als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannt. Adventisten feiern den Sabbat (Samstag) als Ruhetag. Hier gebe es immer wieder Probleme für adventistische Schüler und Studenten sowie Arbeitnehmern in staatlichen Einrichtungen und Staatsbetrieben am Samstag unterrichts- oder arbeitsfrei zu erhalten. Auch sei die Möglichkeit den eigenen Glauben öffentlich zu bekennen „sehr begrenzt“.