Auf dem 100. Katholikentag, der vom 25. bis 29. Mai in Leipzig stattfindet, wurde in verschiedenen Veranstaltungen auch das Spannungsfeld „Religion und Politik“ beleuchtet. Dabei wurde deutlich, dass es sich nicht einfach um zwei getrennte Bereiche handelt: Glaube sei zwar persönlich, habe aber auch eine öffentliche Dimension.
Grundgesetz und Religion
Den Beitrag der Religionen zur gelebten Verfassung beschrieb Professor Dr. Johannes Masing, Richter am Bundesverfassungsgericht, in acht grundsätzlichen Punkten: 1. Die Verfassung sei die Grundlage unserer rechtlichen Ordnung. Sie sei allerdings nur ein Rahmen, der ausgestaltet werden müsse. 2. Die Verfassung als äusserliche Ordnung fordere keine innere Haltung. 3. Sie schaffe damit Raum für die Entfaltung des Menschen im moralischen Bereich. 4. Verfassung verstehe den Menschen als gesellschaftliches Wesen. Sie anerkenne die Religion in ihrer öffentlichen Position und fördere sie dabei. Sie wolle, dass Religion dem Zusammenleben eine Seele gibt. 5. Vor der Verfassung seien alle gleich. Religiöse Neutralität des Staates sei keine distanzierte sondern eine fördernde. 6. Das Ziel könne allerdings nie die rechtliche Durchsetzung der eigenen Moral sein. 7. Dieses Zusammenwirken von Religion und Verfassung sei dann leicht, wenn eine Religion die Eigenverantwortung des Einzelnen anerkennt und intern fördert. 8. Die Verfassung lasse sich auf ein Wagnis ein. Religion könne auch Hass und Abschottung freisetzen. Es käme darauf an zu zeigen, dass Religion auch mit gegenseitiger Anerkennung nicht verblasst.
Glaube als Privatsache?
„Glaube ist selbstverständlich persönlich. Er drängt aber auch auf öffentliche Erkennbarkeit“, so das Statement des langjährigen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Professor Dr. Wolfgang Huber. Die Menschenrechte stünden allerdings vor erheblichen zusätzlichen Umsetzungsschwierigkeiten, wenn Religion und Politik nicht getrennt würden.
Nach Aussage der Göttinger Juristin Professor Dr. Christine Langenfeld werde die Religionsfreiheit in Deutschland im Grunde schrankenlos gewährleistet. Sie sei nur dann einschränkbar, wenn andere Verfassungsgüter in Gefahr stehen. Der Staat könne keine Religionsgemeinschaften schaffen, sondern nur entgegen nehmen, was die Religionsgemeinschaften anbieten. Langenfeld wies auf den Unterschied zwischen dem deutschen Modell der freundliche Unterstützung von Religionsgemeinschaften seitens des Staates und dem französischen Modell der strikten Trennung (Laizismus) hin: das deutsche Modell hätte sich im Hinblick auf Integration als günstiger bewährt, so Langenfeld.
100. Katholikentag
Unter dem Motto „Seht, da ist der Mensch“ treffen sich Christinnen und Christen vom 25. bis 29. Mai in Leipzig, um gemeinsam zu beten, zu feiern und zu diskutieren. Es werden rund 40.000 Teilnehmende erwartet, rund 32.000 davon sind Dauergäste. Mit 56 Prozent gibt es einen leicht erhöhten Anteil von Frauen. 87 Prozent geben an, römisch-katholisch zu sein, knapp elf Prozent sind evangelisch. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machen gut 18 Prozent der Teilnehmenden aus, Menschen, die 60 Jahre und älter sind, rund 21 Prozent. Am wenigsten vertreten ist die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen: sie erreicht nur 7,5 Prozent der Teilnehmenden.