Der Besuch von Papst Franziskus beim diesjährigen „Interreligiösen Gebetstreffen für den Weltfrieden" am 20. September im italienischen Assisi steht einerseits im Zeichen des 30-Jahr-Jubiläums dieser von Papst Johannes Paul II. 1986 gestarteten Initiative, andererseits auch im Zeichen römisch-katholisch/-orthodoxer Freundschaft aus Anlass des silbernen Amtsjubiläums des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. Insgesamt werden in Assisi 400 religiöse, politische, kulturelle Führungspersönlichkeiten aus aller Welt erwartet.
Das diesjährige Gebetstreffen für den Frieden, für dessen Gestaltung wieder die Gemeinschaft Sant'Egidio in Zusammenarbeit mit den Franziskanern und der Diözese Assisi verantwortlich zeichnet, steht unter dem Motto „Durst nach Frieden. Religionen und Kulturen im Dialog". Sant'Egidio verfügt über reiche Erfahrung bei der Organisation von Weltgebetstreffen für den Frieden. Die Gemeinschaft veranstaltet seit 1987 alljährlich in einer anderen Stadt ein solches Treffen „im Geist von Assisi".
Das diesjährige Ereignis ist dreifach bedeutsam: Es findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem der Weltfriede vielfachen Gefährdungen u.a. durch Terror und Gewalt ausgesetzt ist. Es stellt ein Gegenprogramm zum vielbeschworenen "Clash of civilizations" dar, der von manchen schon als Alltagsphänomen betrachtet wird. Und es ruft den vor genau 30 Jahren – am 27. Oktober 1986 – von Papst Johannes Paul II. einberufenen ersten „Weltgebetstag der Religionen für den Frieden" in Erinnerung, der damals eine Sensation darstellte.
Programm des Papstbesuches
Der Helikopter mit Papst Franziskus wird am 20. September um 11.05 Uhr auf dem „Migaghelli"-Sportplatz landen. Dort werden den Papst der Bischof von Assisi und Nocera Umbra, Domenico Sorrentino, die Präsidentin der Region Umbrien, Catiuscia Marini, und die Bürgermeisterin der Franziskus-Stadt, Stefania Proietti, begrüssen. Um 11.30 Uhr wird Papst Franziskus im Sacro Convento in Assisi ankommen, dort begrüssen ihn P. Mauro Gambetti, der Kustos des Klosters, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., der anglikanische Primas, Erzbischof Justin Welby, der syrisch-orthodoxe Patriarch Mar Ignatius Aphrem II. sowie höchste Repräsentanten des Islam, des Judentums und des Buddhismus. Anschliessend begrüsst der Papst im Kreuzgang von Sixtus IV. die übrigen Gäste. Um 13 Uhr folgt das gemeinsame Mittagessen im Refektorium, wobei auch einige Kriegsopfer anwesend sein werden. Der Präsident der Gemeinschaft Sant’Egidio, Marco Impagliazzo, wird bei dem Mittagessen in besonderer Weise auf das bevorstehende 25-Jahr-Jubiläum der Amtsübernahme von Patriarch Bartholomaios I. eingehen.
Um 15.15 Uhr sind Einzelgespräche des Papstes mit Patriarch Bartholomaios I., Erzbischof Justin Welby, Patriarch Mar Ignatius Aphrem II. sowie dem islamischen und dem jüdischen Repräsentanten vorgesehen. Um 16 Uhr finden an verschiedenen Orten in der Franziskus-Stadt Friedensgebete der verschiedenen Religionsgemeinschaften statt, die Christen versammeln sich zu einem ökumenischen Friedensgebet in der Unteren Basilika. Um 17.15 Uhr ist die Abschlusszeremonie auf der Piazza San Francesco angesetzt: Nach dem Gruss von Bischof Sorrentino werden Botschaften verlesen: Eine Botschaft eines Kriegsopfers, eine von Patriarch Bartholomaios I., je eine eines muslimischen, eines jüdischen und eines buddhistischen Repräsentanten sowie eine des Gründers von Sant’Egidio, Prof. Andrea Riccardi.
Im Anschluss spricht Papst Franziskus. Dann wird ein weltweiter Friedensappell veröffentlicht, der an Kinder aus verschiedenen Nationen verteilt wird. Darauf folgen ein „Augenblick des Schweigens" für die Opfer der Kriege, die Unterzeichnung des Friedensappells und der Austausch des Friedensgrusses. Um 18.30 Uhr fährt Papst Franziskus zum Heliport in Santa Maria degli Angeli, von wo er mit dem Hubschrauber den Rückflug in den Vatikan antritt.
Beten und Arbeiten
Viele Teilnehmende kommen bereits am 18. September nach Assisi. Auch in diesem Jahr soll in Assisi nicht nur gebetet, sondern auch gearbeitet und diskutiert werden. Einige Themen der vorgesehenen „Panels": „Religion und Gewalt", „Die Märtyrer von heute", „Muslime und Christen gemeinsam für den Frieden", „Wirtschaft und Finanz im Dienst des Friedens", „Neue Europäer: Mehr Brücken und weniger Mauern", „Solidarität: Schlüsselwort der Gegenwart" sowie „Europa: Die Gründe für das Zusammenleben".
Der Präsident von Sant'Egidio, Marco Impagliazzo, spricht von einer angesichts der heutigen Situation überaus notwendigen Begegnung: „Heute stehen wir vor der grossen Frage nach Frieden, die uns all jene stellen, die unter Gewalt leiden und Opfer des Terrorismus und der zahlreichen Kriege unserer Zeit sind. Wir wollen ihre Stimme sein. Bei unserem Zusammenkommen geht es nicht nur darum, das von Johannes Paul II. vor 30 Jahren initiierte grosse Friedensgebet ins Gedächtnis zu rufen. Vielmehr wird es ein neues Ereignis auf dem Weg mit jenen Menschen sein, mit denen wir gemeinsam den Frieden bauen wollen". In Assisi werden - so Impagliazzo – „hochrangige religiöse und institutionelle Persönlichkeiten" zusammenkommen, um zu zeigen, dass die Religionen nicht gleichgültig gegenüber dem "Schrei der Völker nach Frieden" sind, dass sie zu den Hasspredigern auf Distanz gehen und sich für die Integration einsetzen, die „ein Schlüsselwort für die Verteidigung unserer Gesellscaften gegen die Gewalt" ist.
Amtsjubiläum von Patriarch Bartholomaios I.
Die starke Betonung des Amtsjubiläums von Patriarch Bartholomaios I. ist ein besonderer Akzent des Assisi-Treffens. Bartholomaios I. wurde am 22. Oktober 1991 zum Ökumenischen Patriarchen und Erzbischof des Neuen Rom/Konstantinopel gewählt. Er ist der 270. Nachfolger des Apostels Andreas. Als Ökumenischer Patriarch ist Bartholomaios I. Oberhaupt der Weltorthodoxie; seine Befugnisse reichen über einen blossen Ehrenprimat hinaus (etwa Einberufung von Konzilien, Streitschlichtung in autokephalen orthodoxen Kirchen usw.).
Der heutige Patriarch wurde als Dimitrios Archondonis am 29. Februar 1940 im Dorf Aghii Theodori auf der türkischen Ägäis-Insel Imbros geboren (die Insel Imbros und die Nachbarinsel Tenedos wurden 1923 von der Verpflichtung zum „Bevölkerungstausch" ausgenommen). Er studierte Theologie an der berühmten Theologischen Hochschule in Chalki, an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom sowie in München. Im Jahre 1961 wurde er zum Diakon, 1969 zum Priester geweiht. Drei Jahre später wurde er Leiter der Patriarchatskanzlei im Phanar. 1973 erfolgte seine Weihe zum (Titular-)Bischof von Philadelphia. 1990 wurde er Metropolit von Chalkedon und damit ranghöchstes Mitglied des Heiligen Synods.
Patriarch Bartholomaios engagiert sich sowohl im ökumenischen als auch im interreligiösen Dialog. Er spricht Griechisch, Türkisch, Italienisch, Deutsch, Französisch, Englisch und Lateinisch fliessend. Ausserdem setzt er sich stark für die Bewahrung der Schöpfung ein (u.a. durch die „schwimmenden Symposien" auf Meeren und Flüssen), sodass er in der Öffentlichkeit immer wieder als „Grüner Patriarch" tituliert wird.
Am 19. März 2013 nahm Bartholomaios I. an der Amtseinführung von Papst Franziskus teil. Zum ersten Mal seit dem Schisma von 1054 reiste somit das Oberhaupt der orthodoxen Kirche zu einer Amtseinführung des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche. Mittlerweile verbindet den Ökumenischen Patriarchen eine herzliche Freundschaft mit Papst Franziskus. Aus Anlass seines silbernen Amtsjubiläums erscheint eine Festschrift unter dem Titel „Bartholomaios I. und Papst Franziskus".