Die Impulse der Reformation aufnehmen und wechselseitig voneinander lernen: dazu ruft die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) in ihrem Wort zu 500 Jahre Reformation unter dem Titel „Versöhnt miteinander“ auf. Das Wort wurde auf der Mitgliederversammlung am 28. und 29. September 2016 in Augsburg veröffentlicht. Ausserdem beschäftigen sich die Delegierten auf einem Studientag mit dem Thema „Freiheit“.
Mit einem feierlichen Gottesdienst und einem sich anschliessenden Festakt hat die ACK in Augsburg ihr Wort zur Reformation der Öffentlichkeit präsentiert. Unter dem Motto „Versöhnt miteinander“ entwirft das Wort Perspektiven und Zugänge auf die Feier des Reformationsjubiläums als Christusfest. In fünf Schritten regt das Papier dazu an, das Jahr 2017 ökumenisch zu betrachten: die Impulse der Reformation aufzunehmen, gemeinsam die Folgen der Kirchenspaltung zu bedenken, wechselseitig voneinander zu lernen und die Zukunft ökumenisch zu gestalten.
„Gemeinsam leben wir in dem Bewusstsein, dass die Gaben des Geistes Gottes, die in einer christlichen Kirche bewahrt worden sind und gegenwärtig gelebt werden, auch andere Kirchen bereichern können“, heisst es in dem Wort. Gemeinsam könne man die durch die Reformation wieder in den Mittelpunkt gerückten biblischen Einsichten ökumenisch feiern. Dazu gehörten die Wertschätzung der Bibel als der gemeinsamen Basis des Glaubens, die Ausrichtung des christlichen Glaubens an der Gnade Gottes sowie die Überzeugung von dem in Glaube und Taufe begründeten Priestertum aller Christinnen und Christen. Dies sei untrennbar vom Gedenken an die zahlreichen Opfer religiös motivierter Gewalt: „Kriege, Vertreibungen und Hinrichtungen wurden im Namen Gottes gerechtfertigt“, beklagen die Kirchen in dem Wort. Daher wolle man sich gemeinsam um die Heilung der leidvollen Erinnerungen bemühen. Das Wort zu 500 Jahre Reformation kann unter www.oekumene-ack.de abgerufen werden.
Freiheit nur in Beziehung echte Freiheit – Studientag der ACK
Ausgehend von den Grundanliegen der Reformation hat sich die Mitgliederversammlung auf einem gemeinsamen Studientag mit den Geschäftsführern der regionalen ACKs mit dem Thema „Freiheit“ beschäftigt. Der katholische Moraltheologe Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff (Freiburg) würdigte das Freiheitsverständnis Martin Luthers, das für ein christliches Verständnis der Freiheit im christlichen Glauben prägend geworden sei: „Selbsttätigkeit und Freiheit des Menschen widersprechen nicht seiner Abhängigkeit von Gott, im Gegenteil: je abhängiger von Gott, umso mehr ist der Mensch in seiner Freiheit“, sagte Schockenhoff.
Abhängigkeit der Freiheit von Beziehungen
Diese Abhängigkeit der Freiheit von Beziehungen unterstrich die evangelische Dogmatikerin Prof. Dr. Elisabeth Gräb-Schmidt (Tübingen). „Selbstbestimmung ist nicht unbegrenzte Autonomie, sondern meint, dem Selbst zu entsprechen, das immer in Beziehungen eingebunden ist: menschlich, gesellschaftlich und in der Gottesbeziehung“, sagte Gräb-Schmidt. Luthers Freiheitsverständnis habe herausgestellt, dass die Selbstbestimmung des Menschen durch den Glauben an Gott befördert werde. „Christen sollen die Freiheit so gebrauchen, dass sie sich als verantwortliche Wesen begreifen.“
Täufer forderten aus Freiheitsimpulsen politische Forderungen für Toleranz
Die baptistische Kirchengeschichtlerin Prof. Dr. Andrea Strübind (Oldenburg) verwies darauf, dass es vor allem die täuferischen und unabhängigen Kirchen waren, von denen aus den Freiheitsimpulsen der Reformation auch politische Forderungen für Toleranz abgeleitet worden seien. „Die kirchliche und staatliche Toleranz sollte auch anderen Religionen sowie Ungläubigen gelten“, stellte Strübind dar.
Freiheit meint Offenheit
Die orthodoxe Sicht auf die Freiheit vermittelte der orthodoxe Systematiker Prof. Dr. Daniel Munteanu (Bamberg/Targoviste). „Freiheit bedeutet Offenheit für das Feuer des Geistes Gottes, das Anerkennen der Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen, eine Hochschätzung des einzelnen Menschen, denn er ist fähig, das Licht des göttlichen Geistes zu empfangen“, sagte Munteanu. Daraus seien Konsequenzen für das eigene Handeln abzuleiten, die immer auch die Freiheit des anderen im Blick behalten müsse.
Freiheit braucht Grenzen
„Freiheit gibt es nur in Beziehung“, fasste der Vorsitzende der ACK in Deutschland, Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann (Speyer), am Ende die Diskussion zusammen. Freiheit sei kein autonomer Begriff, sondern beinhalte auch einen kritischen Blick auf sich selbst und bedeute damit eine Relativierung. Freiheit brauche Grenzen, um sich als wirklich Freiheit entfalten zu können. Die Vorträge des Studientages sowie weitere Texte zum Thema Freiheit von Mitgliedern des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses der ACK sollen im Frühjahr 2017 unter dem Titel „Kontroverse Freiheit. Impulse der Ökumene“ im Herder-Verlag erscheinen.
Evangelische Allianz als neue Beobachterin
Als neue ständige Beobachterin der Arbeit der ACK in Deutschland hat erstmals die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) teilgenommen. Hartmut Steeb, Generalsekretär der DEA, stellte der Mitgliederversammlung die Arbeit und das ökumenische Interesse der Allianz vor.
Die Mitgliederversammlung ist das oberste, beschlussfassende Leitungsorgan der ACK. Sie besteht aus den 50 Delegierten der Mitglieder, Gastmitglieder sowie ständigen Beobachter, die von den Kirchen für die Dauer von fünf Jahren benannt werden. Die Mitgliederversammlung der ACK tagt in der Regel zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst.