In einem einstimmig gefassten Beschluss hat der Senat der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entschieden, „künftig Prüfungstermine so festzulegen, dass sie nicht mit religiösem Arbeitsverbot oder hohen Feiertagen kollidieren“, so eine Pressemeldung der RUB. Damit bekenne sich die RUB zu einem Miteinander religiöser Toleranz und gegenseitiger Rücksichtnahme.
Bundesweit vorbildhaft
Die Initiatorin dieser Entscheidung, Senatorin Prof. Dr. Isolde Karle von der evangelisch-theologischen Fakultät und Lehrstuhlinhaberin für praktische Theologie, freue sich ganz besonders, „dass dieser Entschluss nach langer Diskussion mit allen Senatsgruppen und dem Rektorat einstimmig gefällt wurde. Die RUB gehe damit als religionssensible und Diversität achtende Universität bundesweit vorbildhaft voran. Die am 9. Juli getroffene Resolution des Senats zur Prüfungsordnung leiste einen wesentlichen Beitrag, die Religionsfreiheit aller Universitätsangehörigen zu gewährleisten, wie sie in Artikel 4, Absatz 2 des Grundgesetzes (ungestörte Religionsausübung) verankert ist.
Zeitnaher Ersatztermin
Sollten Prüfungen an für Studierende religiösen Feiertagen dennoch nicht vermeidbar sein, müsse es einen zeitnahen Ersatztermin für die Betroffenen geben. Der Beschluss gelte für alle Religionsgemeinschaften, so Prof. Dr. Isolde Karle, die auch Universitätspredigerin der RUB ist. „Meines Wissens sind wir die erste Universität in Deutschland, die das in dieser Form umsetzt.“
Adventisten und Juden profitieren besonders
Relevant wird die neue Regelung beispielsweise für Mitglieder der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten und für orthodoxe Jüdinnen und Juden. Karle schätzt allerdings, dass nur sehr wenige Studierende überhaupt Gebrauch von der Regelung machen werden. „Wir sprechen über eine Zahl im ganz niedrigen zweistelligen Bereich.“ Natürlich freuten sich auch Muslime, wenn man auf sie im Hinblick auf das Ramadanfest oder Opferfest Rücksicht nehme.
Der Pressesprecher der Adventisten in Deutschland, Pastor Jens-Oliver Mohr, freut sich über die Resolution der RUB und ist dankbar, „dass Frau Prof. Dr. Isolde Karle diese Resolution initiiert hat.“ Nicht nur orthodoxe Jüdinnen und Juden, auch Mitglieder der evangelischen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten seien in ihrem Studium hin und wieder damit konfrontiert, dass Prüfungen oder andere studienrelevante Veranstaltungen an ihrem Ruhetag, dem biblischen Sabbat, angesetzt werden. Es bleibe zu hoffen, dass viele weitere deutsche Hochschulen ähnliche Regelungen erlassen.
Antragstellung bei Konfliktlage
Die Studierenden, die durch eine Prüfung in eine religiöse Konfliktlage kommen, müssen rechtzeitig die Prüfenden beziehungsweise den jeweiligen Prüfungsausschuss informieren, dann wird ihnen ein Ausweichtermin ermöglicht. Sie müssen dazu einen Nachweis vorlegen, der die Notwendigkeit einer Teilnahme an einer religiösen Feier oder ein religiöses Arbeitsverbot bezeugt.
Hintergrund
Die Initiative von Senatorin Karle geht zurück auf eine öffentliche Veranstaltung im Dezember 2019 mit dem Antisemitismus-Beauftragten des Landes Baden-Württemberg, Dr. Michael Blume, und Rektor Prof. Dr. Axel Schölmerich an der RUB. Vor dem Hintergrund zunehmender Diskriminierung und Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden in Deutschland stellte sich in der Diskussion danach die Frage, was man an der Uni dagegen tun könne, um ein deutliches Zeichen zu setzen. Volker Beck, Grünen-Politiker und Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der RUB, wies darauf hin, dass die Prüfungsterminierung ein seit Jahrzehnten bestehendes Problem für observante Juden und Jüdinnen sei. So sei laut Karle in der weiteren Debatte das Anliegen und der Text dann aber bewusst ganz offen formuliert worden. „Alle Bekenntnisse und Religionsgemeinschaften sind in den Beschluss grundsätzlich einzuschliessen“, heisst es daher in der verabschiedeten Resolution. Die RUB setze damit exakt und proaktiv um, was die Bundesregierung und einige Abgeordnete aus den Oppositionsparteien, insbesondere Bündnis 90/Die Grünen, sich ohnehin wünschten und für die Hochschulpolitik reklamierten.