Das Verbot in der Kirchenordnung der methodistischen Kirche, Personen, die offen ihre Homosexualität leben, zu ordinieren, ist Geschichte. Die Generalkonferenz, oberstes Leitungsgremium der weltweiten Methodistenkirche (United Methodist Church (UMC), hat die gut 40 Jahre alte Regelung aufgehoben, wie die Evangelisch-methodistische Kirche in der Schweiz auf ihrer Webseite berichtet. Vom 23. April bis zum 3. Mai 2024 tagte die Generalkonferenz in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina.
Demnach hat die Generalkonferenz ohne Debatte im Plenum das bisher geltende Verbot aufgehoben, Personen zu ordinieren, die «bekennende praktizierende Homosexuelle» sind. Die Delegierten an der Generalkonferenz in Charlotte, North Carolina/USA, hätten während der Plenarsitzung am Vormittag des 1. Mai dieser Änderung im Rahmen des «Konsenskalenders» zusammen mit einem Paket von 22 weiteren Regelungen zugestimmt. Dieses Verfahren ermögliche es im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens mehrere Vorlagen und Beschlussanträge gemeinsam zu verabschieden, ohne dass darüber diskutiert werde. Voraussetzung dafür sei, dass solche Konsensvorlagen vom entsprechenden Ausschuss eine überwältigende Zustimmung erhielten und keine Auswirkungen auf den Haushalt oder die Verfassung hätten, so die EMK. Die Zustimmung zur Abschaffung des Ordnungsparagrafen sei bei 93 Prozent gelegen (692 : 51 Stimmen).
«Das Ergebnis wurde mit Beifall, aber nicht mit überbordendem Jubel aufgenommen. Mit Eintritt in die Pause trafen sich am Übergang zwischen Plenum und Zuschauerbereich Menschen, die ihrer Freude über dieses Ergebnis Ausdruck verliehen. Mit Tränen in den Augen, Umarmungen und ungläubigem Staunen reagierten viele Delegierte und Zuschauer:innen auf dieses Geschehen», so die EMK.
Für die Zentralkonferenzen, Kirchenregionen ausserhalb der Vereinigten Staaten, tritt demnach der Beschluss nach zwölf Monaten in Kraft oder nach der nächsten Tagung der jeweiligen Zentralkonferenz.
Regional unterschiedliche Regelungen möglich
Für die methodistische Kirche in der Schweiz habe diese Entscheidung keine direkte Auswirkung, weil die entsprechenden Verbote hier nicht in die geltende Kirchenordnung übernommen worden seien.
Dennoch sei der Beschluss und die weiteren dazugehörigen Regelungen für die Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa, zu der auch die methodistische Kirche in der Schweiz gehört, sehr bedeutsam. Die Delegierten der Zentralkonferenz könnten nun für ihr jeweiliges Gebiet und sogar für die einzelnen Jährlichen Konferenzen (Kirchenparlamente, die ein oder mehrere Länder umfassen) Regelungen treffen, die den sehr unterschiedlichen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Situationen dieser Länder Rechnung tragen würden. Das umfasse Gestaltungsmöglichkeiten für Trauungsliturgien und für die Ordination zum pastoralen Dienst. Für Zentralkonferenzen erlangt der jetzt gefasste Beschluss laut EMK erst Gültigkeit, wenn sie im Rahmen ihrer nächsten Zentralkonferenztagung die jetzt bei der Generalkonferenz gefassten Beschlüsse in Kraft setzen.
Austrittsvereinbarung beendet, Rückkehrrecht beschlossen
Des Weiteren beschlossen die Generalkonferenzdelegierten, das von der außerordentlichen Generalkonferenz im Jahr 2019 eingeführte Recht zum Austritt von Gemeinden aus der Evangelisch-methodistischen Kirche unter Mitnahme des Kircheneigentums zu beenden. Davon hatten in den USA mehr als 7.600 Gemeinden Gebrauch gemacht. Der Beschluss zur Beendigung dieser Sonderregelung wurde mit einem Stimmenverhältnis von 516 zu 203 Stimmen gefasst.
In diesem Zusammenhang wurde auch ein neuer Beschluss zur Rückkehr von Gemeinden nach vorherigem Verlassen der EMK diskutiert. Mit einer Mehrheit von 629 zu 96 votierten die Delegierten dafür, dieses Rückkehrrecht und damit auch das Angebot zur Wiedervereinigung und zur Versöhnung einzuräumen.
Lange Auseinandersetzung innerhalb der EMK über Homosexualität
Innerhalb der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche ist seit vielen Jahrzehnten eine Diskussion im Gange über sexualethische Fragen. Auch nach der Verabschiedung des Verbots der Ordination homosexueller Personen 1972 und des Verbots der Homosexuellen-Ehe war die Auseinandersetzung über diese Frage regelmässig Thema bei allen Tagungen der methodistischen Generalkonferenz. Immer wieder setzte sich eine Mehrheit gegen eine grosse Minderheit durch und verschärfte das Kirchenrecht nach und nach. Im Februar 2019 tagte eine ausserordentliche Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche unter dem einzigen Tagesordnungspunkt, für die weltweite Kirche in der Frage der Bewertung menschlicher Sexualität eine Lösung zu finden. Dabei wurde die traditionelle Sichtweise hinsichtlich Eheschliessung und Ordination Homosexueller mit knapper Mehrheit (53 zu 47 Prozent) bestätigt und Zuwiderhandlungen zudem mit verschärfenden Disziplinarmassnahmen belegt.
EMK Deutschland will als Kirche zusammen bleiben
Nur zehn Tage nach Ende dieser Generalkonferenz hatte der deutsche Kirchenvorstand als geschäftsführendes Gremium der Zentralkonferenz Deutschland erklärt, „dass wir in der Bewertung von Homosexualität weder im Kirchenvorstand noch in der Gesamtkirche einig sind«. Es sei zu befürchten, „dass das auch auf absehbare Zeit so bleiben wird“. Für weitere Beratungen in diesen Fragen formulierte der Kirchenvorstand das Ziel, „als Kirche zusammen(zu)bleiben, in der Menschen unterschiedlicher Auffassungen miteinander leben können“ und dass „Menschen unterschiedlicher Überzeugungen Geborgenheit und Heimat in der Kirche finden sollen“. Dazu sollte ein „Runder Tisch“ gebildet werden, der für den deutschen Teil der EMK einen Vorschlag unterbreiten sollte.
Internationale Arbeitsgruppe formuliert Vereinbarung „Versöhnung und Gnade durch Trennung“
Fast zeitgleich mit dem Beginn der Arbeit des Runden Tischs der EMK in Deutschland formierte sich eine international besetzte Arbeitsgruppe unter der Leitung des in vielen hochkomplexen Rechtsverfahren bewährten US-amerikanischen Anwalts und Mediators Kenneth R. Feinberg. Diese Gruppe formulierte eine Vereinbarung unter dem Titel „Versöhnung und Gnade durch Trennung“. Mit dieser Vereinbarung sollte eine respektvolle Teilung der weltweiten Kirche bei der für Mai 2020 geplanten Generalkonferenz beraten und ermöglicht werden. Nach diesem Vorschlag sollte die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche weiterbestehen und wie bisher verschiedenen Frömmigkeitsausprägungen und Überzeugungen Heimat bieten. Coronabedingt wurde diese Generalkonferenz jedoch auf das Jahr 2024 verschoben.
Kirchentrennung 2022
Hinsichtlich der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und der Ordination Homosexueller sollte sich die Kirche öffnen können, ohne dass diese Öffnung für alle Teile der bestehenden Kirche in gleicher Weise hätte umgesetzt werden müssen. Zugleich sah der Vorschlag die Bildung einer neuen, traditionell orientierten methodistischen Kirche („new traditionalist Methodist denomination“) vor. Diese sollte sich von der Evangelisch-methodistischen Kirche in einem klar beschriebenen, ordentlichen Verfahren ablösen können und sich eigenständig strukturieren.
Ohne die geplante Entscheidung bei einer ordentlichen Tagung der Generalkonferenz abzuwarten, wurde die neue Denomination zum 1. Mai 2022 unter dem Namen Global Methodist Church (Globale methodistische Kirche) gegründet. Seither ist die Evangelisch-methodistische Kirche weltweit mit der Situation konfrontiert, dass sich Gemeinden oder ganze Jährliche Konferenzen abspalten und in die Unabhängigkeit gehen oder sich der neuen Denomination anschliessen. In den Vereinigten Staaten war das für Gemeinden bis zum Ende des Jahres 2023 möglich auf Basis der Beschlüsse der ausserordentlichen Generalkonferenz des Jahres 2019. Davon wurde in unterschiedlichem Masse Gebrauch gemacht, sodass sich für den US-Teil der EMK die Abspaltungen je nach Region zwischen zehn bis zu dreissig Prozent an Gemeinden ergaben. Auch in anderen Teilen der Welt gab es Abspaltungstendenzen. Einige Distrikte oder Teile von Jährlichen Konferenzen haben sich bereits ausserhalb formal gültiger Regelungen von der EMK gelöst (z.B. Bulgarien und Slowakei). Andere Regionen haben die Trennung von der EMK signalisiert, wollen aber die formalen Wege einhalten (z.B. Eurasien, Tschechien). Wieder andere Regionen wollten die Beschlüsse der diesjährigen Generalkonferenz abwarten, um daraufhin ihre Entscheidung zum Bleiben oder zur Trennung zu treffen. Diese Entscheidungen stehen noch aus.
Zur Information
Artikel 304.3 der „Verfassung, Lehre und Ordnung“ der EmK
Die jetzt bei der Generalkonferenz getroffene Entscheidung bezieht sich auf den zweiten Teil des Artikel 304.3 im (amerikanischen) „Book of Discipline“ (deutsch: „Verfassung, Lehre und Ordnung“, VLO). Im englischen Text heisst es dort: “The practice of homosexuality is incompatible with Christian teaching. Therefore self-avowed practicing homosexuals are not to be certified as candidates, ordained as ministers, or appointed to serve in The United Methodist Church.” (Deutsch: Praktizierte Homosexualität ist mit der christlichen Lehre unvereinbar. Bekennende praktizierende Homosexuelle können daher weder als Kandidaten für den pastoralen Dienst zugelassen, als Pastor oder Pastorin ordiniert werden noch eine Dienstzuweisung für den Dienst in der Evangelisch-methodistischen Kirche erhalten.) In der deutschen VLO ist dieser zweite Teil des Artikels nicht wiedergegeben, weil die Zentralkonferenz Deutschland hier von ihrem Adaptionsrecht Gebrauch machte und diese Passage in die deutsche Fassung nicht übernahm. Dasselbe gilt für die Zentralkonferenzen Schweiz sowie Mittel- und Südeuropa.
Generalkonferenz
Die Generalkonferenz ist das oberste Leitungsgremium der weltweiten Methodistenkirche - United Methodist Church (UMC). Die Konferenz kann das Kirchenrecht revidieren und Resolutionen zu aktuellen moralischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Fragen verabschieden. Sie genehmigt auch Programme und Budgets für kirchenweite Aktivitäten.
Zentralkonferenz
In Afrika, Europa und auf den Philippinen bilden die Jährlichen Konferenzen (Kirchenparlamente) einer grösseren Region sogenannte Zentralkonferenzen. Die an eine Zentralkonferenz entsandten Delegierten sind zu gleichen Teilen Laien und pastorale Mitglieder. Die Zentralkonferenz bildet eine administrative Einheit, welche die gemeinsame Arbeit und Mission koordiniert und auch ihren Bischof oder ihre Bischöfin wählt. Die Jährliche Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika ist Teil der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa (ZK MSE). Seit 2022 leitet Bischof Stefan Zürcher (Zürich) die ZK MSE.