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Buchbesprechung: «Adventists and Catholics. The History of a turbulent Relationship»

Basel/Schweiz | 15.11.2024 | APD | Buchrezensionen

Buchbesprechung: Reinder Bruinsma: «Adventists and Catholics. The History of a turbulent Relationship», („Adventisten und Katholiken. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung“), 346 Seiten, gebunden, 2024, Wissenschaftsverlag Peter Lang, CHF 112.-, ISBN-10 1636676219, ISBN-13 978-1636676210

Basel/Schweiz | 15.11.2024 | APD │ Der adventistische Theologe Reinder Bruinsma beschreibt im neuen Buch «Adventists and Catholics. The History of a turbulent Relationship» die Faktoren, welche zur anhaltenden antikatholischen Haltung der Siebenten-Tags-Adventisten beigetragen haben.

Der amerikanische Protestantismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts war von starken antikatholischen Gefühlen geprägt. Dieser amerikanische Antikatholizismus hatte seinen Ursprung in der europäischen Reformation, die sich ursprünglich als Protest gegen die katholische Kirche richtete. Die Anhänger des Protestantismus nahmen daher eine starke kritische Position gegen Katholizismus und Papsttum ein. Nach 1915 wurde in den meisten protestantischen Kirchen die frühere Feindseligkeit allmählich durch eine positivere Einschätzung des Katholizismus ersetzt.

In einer Zeit des zunehmenden interkonfessionellen Respekts und Dialogs, nicht nur zwischen den verschiedenen Traditionen innerhalb des Protestantismus, sondern auch zwischen Protestanten und römischen Katholiken, steht die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ökumenischen Begegnungen mit anderen Protestanten und erst recht mit römischen Katholiken nach wie vor zurückhaltend gegenüber.

Der niederländische Theologe Reinder Bruinsma beschreibt in seinem neuen Buch «Adventists and Catholics. The History of a turbulent Relationship» (Adventisten und Katholiken. Die Geschichte einer turbulenten Beziehung) die Faktoren, welche zur anhaltenden antikatholischen Haltung der Siebenten-Tags-Adventisten beigetragen haben. Das Buch konzentriert sich hauptsächlich auf den amerikanischen Katholizismus und die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in den USA. Bruinsma schildert ausführlich die theologischen Vorgaben vor und nach der Gründerzeit sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Amerika. Seine Analyse macht deutlich, dass die meisten der Ideen, die hinter der weitgehend negativen Haltung gegenüber dem römischen Katholizismus in den frühen Phasen des Adventismus stehen, von den heutigen Adventisten in den Vereinigten Staaten und von den mehr als zwanzig Millionen Kirchenmitgliedern in aller Welt übernommen wurden.

Die ersten beiden Kapitel zeigen die Hintergründe des adventistischen Antikatholizismus auf. Im ersten Kapitel beschreibt der Autor, wie Protestanten im puritanischen England und im kolonialen und frühen republikanischen Amerika den Katholizismus betrachteten. Es schildert die gängigen und tief verwurzelten antikatholischen Gefühle - basierend auf der langen Tradition einer bestimmten Auslegung der apokalyptischen Bibelprophetie - in den Vereinigten Staaten im Allgemeinen und insbesondere in der Region, in der die Miller-Bewegung entstand und kurzzeitig aufblühte. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Miller-Bewegung, die die Siebenten-Tags-Adventisten als Prolog zur Geschichte ihrer Konfession betrachten. Es beschreibt die Ansichten von William Miller (1782-1849) und anderen Führern der Bewegung, die sich innerhalb weniger Jahre von einer interkonfessionellen Erweckungsgruppe zu einer eigenständigen Sekte entwickelte. Besonderes Augenmerk gilt Millers System der biblischen Hermeneutik und der daraus resultierenden Auslegung der biblischen Bücher Daniel und Offenbarung, vor allem wenn diese auf den römischen Katholizismus angewandt werden. Die Interpretationen der apokalyptischen Prophezeiung durch Miller und seine Anhänger und ihre daraus resultierenden Ansichten über die römisch-katholische Kirche bildeten die Grundlage, auf der die Siebenten-Tags-Adventisten aufbauen sollten.

In Kapitel drei geht der Verfasser der Frage nach, wie die sabbatarischen Adventisten in der Entstehungsphase ihrer Bewegung auf dem Erbe der Miller-Bewegung (Milleriten) aufbauten. Es wird dargelegt, wie sie die prophetischen Auslegungen der Milleriten übernahmen, verfeinerten und überarbeiteten, insbesondere diejenigen, die auf den Katholizismus angewandt wurden. Man glaubte nicht nur, dass «Rom» für die Ersetzung des göttlich eingesetzten Sabbats durch den «heidnischen» Sonntag verantwortlich war, sondern man mass der Sabbat-Sonntag-Frage und der Wahrnehmung einer anhaltenden katholischen Feindschaft gegenüber dem Sabbat und seinen Beobachtern eine enorme eschatologische Bedeutung bei. Dabei entwickelte sich in späteren Jahrzehnten die Überzeugung, dass Amerika in der Endzeit eine Rolle bei der Unterstützung des Katholizismus spielen werde und in den USA gemeinsame zukünftige Bemühungen einer religiös-politischen Koalition aus Protestanten und Katholiken auf die endgültige Vernichtung der Sabbathalter abzielen werden.

Das vierte Kapitel behandelt den Zeitraum, in der der Adventismus erwachsen wurde. Es folgt weitgehend demselben Muster wie das vorherige Kapitel und untersucht einige spezifische Entwicklungen in der prophetischen Auslegung. Was diese Zeit so wichtigmacht, ist die Art und Weise, wie die Ereignisse auf der amerikanischen religiösen Bühne direkt oder indirekt mit der Sonntagsgesetzgebung zusammenhingen. Diese Entwicklungen bestärkten die Adventisten in ihrer Überzeugung von der Richtigkeit ihrer eschatologischen Ansichten, wobei der Katholizismus und das protestantische Amerika die zukünftigen Verfolger einer sabbathaltenden Minderheit waren. Auch hier werden die adventistischen Reaktionen auf zeitgenössische katholische Themen analysiert und kurz mit den Reaktionen einiger anderer protestantischer Glaubensgemeinschaften verglichen. Ein Abschnitt dieses Kapitels ist den Ansichten von Ellen G. White (1827-1915) über den Katholizismus gewidmet. Ihr Einfluss als «Prophetin» innerhalb des Adventismus kann kaum überschätzt werden. Ihre Ansichten spielten eine wichtige Rolle bei der Festigung der antikatholischen Haltung der Adventisten.

Das fünfte Kapitel vermittelt Reaktionen der Adventisten auf Fragen, die den Katholizismus betreffen oder mit ihm in Zusammenhang stehen, von 1915 bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), und untersucht, ob es im Vergleich zu den früheren Perioden signifikante Veränderungen in der Haltung gab. Das Kapitel zeigt auf, dass die Adventisten zwar in ihrer Haltung gegenüber anderen protestantischen Christen flexibler waren als früher, jedoch nicht bereit, ihre Position gegenüber dem Katholizismus grundlegend neu zu bewerten.

Im sechsten Kapitel beleuchtet der Autor die Entwicklung der adventistischen Haltung gegenüber dem Katholizismus über das Zweite Vatikanum hinaus und öffnet die Tür für die Stimmen einer neuen Generation adventistischer Theologen. Der Autor untersucht mit Blick auf die Zukunft verschiedene traditionelle adventistische Kernpunkte wie hermeneutische Methoden, prophetische Auslegungen der Bücher Daniel und Offenbarung, das Tag-Jahr-Prinzip, die Verbreitung des Buches «Der Grosse Kampf» von E.G. White, die diplomatischen Beziehungen des Vatikans, Sonntagsgesetze und die kontemporären katholischen Enzykliken.

Seit 1965 waren die meisten Herausforderungen für die römisch-katholische Kirche, insbesondere für die Päpste, Kardinäle und Kirchenleitern auf verschiedenen kirchlichen Ebenen weltweit und liessen sich nicht leicht durch ein Anfangs- und Enddatum abgrenzen. Wie die meisten anderen Konfessionen war auch die Kirche mit der Existenz unterschiedlicher theologischer Modalitäten konfrontiert. Viele katholische Theologen an unterschiedlichen Stellen im theologischen Kontinuum zwischen Konservativen und Liberalen wurden sowohl von ihren Glaubensgenossen als auch in protestantischen Kreisen geschätzt.

Die Entwicklungen in der adventistischen Interpretation der apokalyptischen Prophezeiung zeigen auf, dass der römische Katholizismus weiterhin eine herausragende Endzeitakteurin darstellt. Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte der Adventismus ein Stadium, in dem sich wie in den meisten anderen Konfessionen eine erhebliche theologische Vielfalt herausgebildet hatte – mit konservativen und liberalen Strömungen und verschiedenen dazwischen liegenden Strömungen. Dabei sollte beobachtet werden, dass, obwohl sich der Adventismus zu einer globalen Bewegung entwickelt hat, die meisten adventistischen Veröffentlichungen zur Eschatologie immer noch amerikanischen Ursprungs sind und von Professoren an amerikanischen kircheneigenen Colleges und Universitäten verfasst wurden. Viele adventistische Veröffentlichungen zur Eschatologie in anderen Sprachen sind hauptsächlich Übersetzungen amerikanischer Beiträge.

Leider gibt es immer noch eine deutliche Tendenz seitens der meisten adventistischen Theologen und Bibellehrern, dem grundlegenden historistischen Rahmen der adventistischen Prophetenauslegung treu zu bleiben, aber viele sind zunehmend zurückhaltender bei spezifischen Anwendungen, und die verwendete Sprache ist im Allgemeinen weit weniger aggressiv als es in der Vergangenheit häufig der Fall war, schreibt der Autor.

Erstaunlich ist, so stellt man als Leser fest, dass es trotz der prophetisch-bedingten antikatholischen Haltung zu konsultativen Beratungsgesprächen mit Vertretern des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen (PCPCU) kam, wenngleich diese nur von kurzer Dauer waren. Im Mai 2000 trafen sich adventistische und katholische Theologen in Rom «in ungezwungener und herzlicher Atmosphäre». Übereinstimmungen und Spannungsfelder wurden offen besprochen. In den Jahren 2001, 2002 und 2003 fanden drei weitere Gesprächsrunden statt, es gab jedoch keine weiteren Folgemassnahmen. Ángel Manuel Rodríguez vom adventistischen Bibelforschungsinstitut (BRI) und Mitglied der Gruppe, erklärte: «Die Diskussionen waren nützlich, da sie eine Gelegenheit boten, mit katholischen Theologen wichtige Aspekte unserer Botschaft zu teilen und mit ihnen zu interagieren.»

Ein kurzes Schlusskapitel fasst die Ergebnisse dieser umfassenden Forschungsarbeit zusammen und wiederholt die wichtigsten Entwicklungen im adventistischen Denken in Bezug auf den römischen Katholizismus.

Der historisch gewachsene Antikatholizismus bei den Adventisten steht in gewisser Weise im Widerspruch zur offiziellen Stellungnahme der adventistischen Weltkirchenleitung mit dem Titel «Wie Siebenten-Tags-Adventisten den römischen Katholizismus sehen» vom April 1997. Darin kommt deutlich zum Ausdruck, dass und wie diese historisch gewachsene und fest etablierte romkritische Einstellung – wenn auch (vor allem in Europa) in abgemilderter Form – bis heute nachwirkt.

In dem Dokument heisst es wörtlich: «Die Siebenten-Tags-Adventisten bemühen sich um eine positive Einstellung zu anderen Religionen. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, das Evangelium von Jesus Christus im Zusammenhang mit der baldigen Wiederkunft Christi zu verkünden, und nicht darin, auf Fehler in anderen Konfessionen hinzuweisen».

Ferner betont die öffentliche Stellungnahme von 1997 weiter: «Adventisten bemühen sich, im Umgang mit anderen fair zu sein. Während wir uns also der historischen Aufzeichnungen bewusst sind und weiterhin unsere Ansichten über endzeitliche Ereignisse vertreten, erkennen wir einige positive Veränderungen im Katholizismus der letzten Zeit an und betonen die Überzeugung, dass viele römische Katholiken Brüder und Schwestern in Christus sind».

Es bleibt zu hoffen, dass die Grundhaltung dieser inzwischen 27 Jahre alten adventistischen Stellungnahme ohne weiteren Verzug auf allen Ebenen der Freikirche bekannt gemacht und zum festen Bestandteil des gelebten christlichen Glaubens wird.

Das mit wissenschaftlicher Gründlichkeit erstellte Werk mit 326 Seiten, einschliesslich Personenverzeichnis, Themen-Index und ausführlichem Literaturverzeichnis (Primär- und Sekundärliteratur), ist in englischer Sprache als gebundene Ausgabe im internationale Wissenschaftsverlag Peter Lang erschienen. Es richtet sich nicht nur an Kirchenhistoriker und Theologen, sondern vor allem an adventistische Amtsträger und Kirchenmitglieder.

Christian B. Schäffler, Journalist SFJ, Basel
November 2024

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