Die Klimakonferenz in Bonn

Bonn | 18.07.2001 | APD | International

Fortsetzung der 6. Vertragsstaatenkonferenz COP6

Vom 18. - 27. Juli 2001 wird in Bonn die im November 2000 in Den Haag unterbrochene 6. Vertragsstaatenkonferenz (englisch: "Conference of the Parties", COP) der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change - UNFCCC) fortgesetzt. In Den Haag hatten sich die beteiligten Staaten noch nicht über die Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls einigen können und daraufhin beschlossen, die Verhandlungen 2001 möglichst rasch wieder aufzunehmen.

Die Konferenz wird durch das in Bonn ansässige UNFCCC-Sekretariat vorbereitet. Vorsitzender der Fortsetzung von COP 6 ist weiterhin der niederländische Umweltminister Jan Pronk. Es werden ca. 6000 Teilnehmer erwartet. Neben Regierungsdelegationen aus mehr als 180 Staaten werden zahlreiche Vertreter von Medien und Nicht-Regierungsorganisationen anreisen. Zu Beginn der Konferenz (vom 18.-20.7.) werden die Verhandlungen zu den besonders strittigen Themen von den Umweltministern selbst geführt, anschließend sollen die auf politischer Ebene erzielten Kompromisse auf Beamten-Ebene umgesetzt werden.

Bei der Klimakonferenz handelt es sich um die größte internationale Konferenz, die je in Bonn stattgefunden hat. Die Entscheidung für die Durchführung in Bonn ist kurzfristig durch die zuständigen Gremien der Vereinten Nationen gefallen. Die Weltöffentlichkeit blickt mit großer Spannung auf die Verhandlungen zum Klimaschutz nach Bonn.

Die Bundesregierung knüpft an die Bonner Konferenz die Erwartung, dass die internationale Völkergemeinschaft ihrer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen gerecht wird und die Klimaverhandlungen erfolgreich abschließt, damit im Jahr 2002, 10 Jahre nach der Konferenz von Rio de Janeiro, das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz ratifiziert werden und in Kraft treten kann.

Die Inhalte: worum es in Bonn geht

Auf der Konferenz geht es vor allem um zwei wichtige Fragen:

1.) Stehen die Vertragsstaaten zu dem völkerrechtlich verbindlichen Rahmen des Kyoto-Protokolls und zu den Klimaschutz-Verpflichtungen, die sie darin niedergelegt haben?

Nachdem die USA im März 2001 erklärt haben, dass sie das 1997 von allen Vertragsstaaten unterzeichnete Kyoto-Protokoll ablehnen, wird die Frage "Kyoto-Protokoll - ja oder nein?" der wichtigste Verhandlungspunkt im Vorfeld und während der Verhandlungen von Bonn sein. Deutschland und die EU haben immer wieder unmissverständlich deutlich gemacht, dass das Kyoto-Protokoll die zentrale Grundlage für den internationalen Klimaschutzprozess ist. Das in Kyoto beschlossene Paket an verbindlichen Emissionsreduktionsverpflichtungen aufzuschnüren und neu zu verhandeln, würde den Klimaschutzprozess um Jahre zurückwerfen und das angestrebte Inkrafttreten des Protokolls vor dem Weltgipfel für Nachhaltigkeit im September 2002 in Johannesburg (Südafrika) unmöglich machen. Angesichts des Klimawandels muss die Staatengemeinschaft jedoch ihrer Verantwortung gerecht werden und rasch damit beginnen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

2.) Wie sollen die Industriestaaten ihre im Kyoto-Protokoll eingegangenen Reduktions-Verpflichtungen erfüllen dürfen?

Gegenstand der Verhandlungen sind die verschiedenen Möglichkeiten, zu mindern. Neben Emissionsreduktionen im eigenen Land gibt das Kyoto-Protokoll den Vertragsstaaten die Möglichkeit, durch sogenannte "flexible Mechanismen" einen Teil der Verpflichtungen durch Projekte im Ausland zu erfüllen (sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern). Zudem fordern einige Länder, dass die Ausweitung natürlicher Kohlenstoffspeicher ("Senken"), wie z.B. Wälder, auch als Emissionsminderung angerechnet werden soll. Werden die flexiblen Mechanismen und Senkenaktivitäten von den Industrieländern in großem Maße genutzt, besteht die Gefahr, dass es am Ende zu keinen echten Verringerungen von Treibhausgasemissionen in Industrieländern kommt. Deswegen fordern Deutschland und die EU eine klare Begrenzung dieser Möglichkeiten sowie ihre wirksame Kontrolle. Weitere wichtige Verhandlungspunkte sind:

  • die Ausgestaltung der Erfüllungskontrolle, d.h. der Maßnahmen die für den Fall zu treffen sind, dass Staaten ihre Emissionsreduktionsverpflichtungen nicht einhalten,
  • die Förderung des Klimaschutzes in Entwicklungs- und Schwellenländern

1. Verhandlungspunkt: Die Zukunft des Kyoto-Protokolls

Die USA haben im März 2001 erklärt, dass sie das 1997 von allen Vertragsstaaten unterzeichnete Kyoto-Protokoll ablehnen. Die USA sind der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen (25% der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen, 36% der Kohlendioxid-Emissionen der Industrieländer) und zeichnen sich durch einen extrem hohen Pro-Kopf-Energieverbrauch aus (doppelt so hoch wie in der EU). Die Begründung von US-Präsident Bush für seine Absage an das Protokoll lautete, dass das Protokoll der amerikanische Wirtschaft schade und zudem ungerecht sei, weil die Entwicklungs- und Schwellenländer (insbesondere Indien und China) keine Emissionsreduktionsverpflichtungen übernähmen.

Die Absage der USA hat die internationalen Klimaschutzverhandlungen in eine schwere Krise gestürzt. Ohne die USA ist das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls gefährdet, da hierfür eine Ratifikation des Protokolls durch mindestens 55 Staaten erforderlich ist und diese mindestens 55% der CO2-Emissionen der Industrieländer im Jahr 1990 auf sich vereinigen müssen. Das Abrücken der USA von dem Kyoto-Protokoll ist insbesondere deshalb unverständlich, weil die US-Regierung bei den Verhandlungen 1997 eine herausragende Rolle gespielt haben und maßgeblichen Einfluss auf das dort erzielte Ergebnis hatten. Die USA haben angekündigt, Alternativen zum Kyoto-Protokoll vorzuschlagen; diese liegen derzeit noch nicht vor.

Die Position der deutschen Bundesregierung und der EU

  • Das Kyoto-Protokoll ist die zentrale Grundlage für den internationalen Klimaschutzprozess - dieser Punkt ist nicht verhandelbar. Das in Kyoto beschlossene Paket an Vereinbarungen aufzuschnüren und neu zu verhandeln, würde den Klimaschutzprozess um Jahre zurückwerfen und das angestrebte Inkrafttreten des Protokolls vor dem Weltgipfel für Nachhaltigkeit im September 2002 in Johannesburg (Südafrika) unmöglich machen.
  • Die Gegenvorschläge zum Kyoto-Protokoll dürften auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Staatengemeinschaft hinauslaufen. Diese haben sich jedoch in der Vergangenheit als wirkungslos erwiesen. Wer wirksam das Klima schützen will, muss verbindliche internationale Verträge schließen und umsetzen.
  • Die Argumente der USA werden zurückgewiesen: Die Umsetzung des Kyoto-Protokolls wird, wie der jüngste IPCC-Bericht gezeigt hat, im Vergleich zu den drohenden Gefahren des Klimawandels der Staatengemeinschaft nur geringe Kosten aufbürden (weniger als 1% des BSP pro Jahr). Zudem besteht eine besondere Verpflichtung der Industrieländer als Hauptverursacher des Klimawandels mit den Emissionsreduktionen zu beginnen. Die Entwicklungs- und Schwellenländer sollen ab einem späteren Zeitpunkt ebenfalls verbindliche Klimaschutzmaßnahmen akzeptieren.
  • Deutschland und die EU streben eine Einigung in Bonn an, die unter Einschluss der USA erzielt wird, da diese als größter Emittent eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz haben. Notfalls ist die EU jedoch bereit, auch ohne die USA mit den anderen Vertragsstaaten eine Einigung auf der Basis des Kyoto-Protokolls zu erreichen und dieses in Kraft zu setzen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind entschlossen, ihre in Kyoto eingegangenen Klimaschutzverpflichtungen im Rahmen der EU-Lastenverteilung auf jeden Fall zu erfüllen.

2. Verhandlungspunkt: Nationale Emissionsreduktionen und flexible Mechanismen

Das Kyoto-Protokoll sieht vor, dass jedes Industrieland entsprechend seinen nationalen Gegebenheiten Politiken und Maßnahmen beschließt, um die nationalen Emissionen zu senken. Artikel 2 des Protokolls benennt dafür verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Verbesserung der Energieeffizienz oder den Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen. Darüber hinaus führt das Kyoto-Protokoll drei sogenannte "flexible Mechanismen" ein, die den Vertragsstaaten Flexibilität bei der Umsetzung ihrer Reduktionsziele erlauben:

  • Emissionshandel (Artikel 17),
  • gemeinsam durchgeführte Projekte zwischen Industrieländern ("Joint Implementation" JI) (Artikel 6)
  • Projekte zur Emissionsreduktion in Entwicklungsländern (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, "Clean Development Mechanism" CDM) (Artikel 12).
Gemeinsam durchgeführten Projekte (JI und CDM) können z.B. der Bau von regenerativen Energieanlagen oder Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Kohlekraftwerken sein. Der Grundgedanke aller drei flexiblen Mechanismen ist, dass die Industrieländer ihre Reduktionsverpflichtungen teilweise im Ausland erbringen können.

Vorteile der flexiblen Mechanismen:

  • Dem Klima ist es egal, wo Treibhausgase ausgestoßen werden - und dementsprechend auch, wo dieser Ausstoß verringert wird. die Erfüllung der Minderungspflichten im Ausland nicht schädlich.
  • Es kann billiger sein, wenn nicht ich, sondern mein Nachbar seinen Ausstoß reduziert, weil es bei ihm viel billigere Reduktionspotentiale gibt. Er spart bei den Emissionen für mich mit und ich kauf ihm die Emissionsreduktionen ab - für beide Seiten eine vorteilhafte Sache.
  • Flexible Mechanismen können dazu beitragen, das Eigeninteresse der Wirtschaft an Klimaschutzmaßnahmen zu stärken.
  • Die Durchführung von Klimaschutzprojekten über den CDM in Entwicklungsländern kann helfen, dort klimafreundliche Energiesysteme zu etablieren und so die Entwicklungsländer langfristig auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad führen.

Probleme der flexiblen Mechanismen:

  • Damit es weltweit zu einer nachhaltigen Entwicklung kommt, müssen die Industrieländer rasch auf nachhaltige Produktions- und Konsumformen umstellen. Der Handel mit billigen Emissionsreduktionen in Entwicklungs- oder Schwellenländern verzögert diese notwendige Umstellung.
  • In Kyoto wurden einigen Staaten (u.a. Russland, Ukraine) deutlich mehr Emissionsrechte zugebilligt, als sie (aufgrund des Zusammenbruchs der Industrien nach 1990) absehbar benötigen werden. Diese sog. "heiße Luft" kann per Emissionshandel verkauft werden - mit der Folge, dass der Emissionshandel zu mehr Emissionen führt und keine wirklichen Reduktionen erfolgen.
  • Der Emissionshandel erfordert harte Sanktionen für den Fall, dass jemand mehr Emissionsrechte verkauft, als er an Emissionen reduziert. Solche Sanktionen sind auf internationaler Ebene schwer durchsetzbar.
  • Für jedes gemeinsam durchgeführte Projekt (Joint Implementation und Clean Development Mechanism) muss bestimmt werden, in welchem Umfang Emissionsreduktionen erbracht werden. Hierfür muss hypothetisch geklärt werden, welche Emissionen entstanden wären, wenn es diese Projekte nicht gegeben hätte (das sogenannte "Baseline"-Problem). Es besteht die Gefahr, dass die erreichten Emissionsminderungen künstlich hochgerechnet werden.

Die Verhandlungsposition der deutschen Bundesregierung und der EU

  • Durch die flexiblen Mechanismen sollen höchstens die Hälfte (50%) der Reduktionsverpflichtungen von Kyoto erbracht werden dürfen. Der Hauptteil der Emissionsminderungen der Industrieländer soll durch nationale Reduktionsmaßnahmen erfolgen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass in den Industrieländern eine Umsteuerung erfolgt, die die in späteren Verpflichtungsperioden notwendigen Reduktionen ermöglicht.
  • Die Mechanismen sollen nur dann genutzt werden dürfen, wenn sie verbindlich an das System der Erfüllungskontrolle gebunden sind und klare Regeln für die Erfassung und Erhebung entwickelt wurden.
  • Das Risiko von Überverkäufen beim Emissionshandel muss durch geeignete Regeln verhindert bzw. minimiert werden.
  • Als gemeinsam mit Entwicklungsländern durchgeführte Projekte (CDM) sollen nur Projekte in Frage kommen, die echte Emissionsminderungen zur Folge haben, d.h. keine Senken. Im CDM sollen insbesondere Projekte zum Ausbau der Nutzung Erneuerbarer Energien, zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Förderung nachfrageseitiger Managementmaßnahmen im Energie- und Verkehrssektor angerechnet werden.
  • Der Bau von Atomkraftwerken darf nicht als emissionsreduzierendes Projekt im Rahmen der gemeinsam durchgeführten Projekte (JI und CDM) anerkannt werden.
  • Bei der Entwicklung der "Baselines" für die gemeinsam durchgeführten Projekte (JI und CDM) sollen konservative Grundsätze verwendet werden, damit die durch die Projekte erreichten Emissionsreduktionen nicht künstlich hochgerechnet werden können. Die Projekte sollen darüber hinaus von unabhängigen Gutachtern im Hinblick auf ihre Umwelt- und Sozialverträglichkeit geprüft werden und eine Beteiligung der lokalen Öffentlichkeit bei der Projektplanung gewährleisten.

3. Verhandlungspunkt: Senken

Die natürlichen Ökosysteme speichern große Mengen Kohlenstoff: Wälder speichern Kohlenstoff in lebender pflanzlicher Biomasse, Böden speichern Kohlenstoff in der Humusschicht. Ein Ökosystem ist dann eine "Senke" für Kohlenstoff, wenn es weiteren Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt - so entnimmt z.B. ein Baum in seiner Wachstumsphase der Atmosphäre Kohlenstoff. Durch Aufforstungsprojekte, angepasste Ackerbaumethoden (z.B. weniger tiefes Pflügen), eine geänderte Weidewirtschaft und andere land- und forstwirtschaftliche Maßnahmen ist es somit möglich, der Atmosphäre Treibhausgase zu entziehen. Nach den Regelungen des Kyoto-Protokolls kann der durch Aufforstung, Wiederaufforstung und Entwaldung im eigenen Land gebundene Kohlenstoff mit den jeweiligen Emissionsreduktionsverpflichtungen verrechnet werden. Die Einbeziehung weiterer Senkenkategorien über Aufforstung, Wiederaufforstung und Entwaldung hinaus ist zwischen den Verhandlungspartnern strittig.

Die Vorteile:

  • Für den Treibhauseffekt ist die Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre entscheidend. Wenn durch natürliche Senken Kohlenstoff gebunden wird, hat dies einen positiven Effekt für den Klimaschutz.
  • Es kann billiger sein, "in die Natur zu investieren" als Maßnahmen zur Emissionsreduktionen durchzuführen.
  • Aufforstungsprojekte sind nicht nur im Rahmen des Klimaschutzes sinnvoll.

Die Probleme:

  • Problem der Dauerhaftigkeit: Senken sind keine dauerhaften Kohlenstoffspeicher. Im Gegensatz zu unterirdischen Kohle-, Erdöl-, und Erdgasvorräten ist der Kohlenstoff in natürlichen Senken nur vorübergehend gespeichert. Alle Senkenaktivitäten sind Teil des Kohlenstoffkreislaufs, da die Biosphäre ständig Kohlenstoff aufnimmt, diesen aber früher oder später durch Ernte, Feuer, Altern oder Sturm und Verrottung auch wieder abgibt. Gerade die Vielzahl von Waldbränden führt dies vor Augen.
  • Problem der Größe: Die Potenziale bei Senken sind riesig. Es gibt Abschätzungen, wonach bei einer vollständigen Anrechnung von Senken viele Industriestaaten (USA, EU, Australien, Neuseeland) ihre Emissionsreduktionsverpflichtungen vollständig über Senkenaktivitäten erfüllen könnten. Damit würde der Anstieg der Emissionen ungehindert weitergehen und die notwendige Umsteuerung in den Industrieländern zu einer nachhaltigen Entwicklung verhindert.
  • Problem der Messbarkeit: Es gibt massive Probleme hinsichtlich der Messbarkeit von Senken. Unterschiedliche Studien kommen zu Ergebnissen, die sich oft um ein Vielfaches unterscheiden. Gerade über die Speicherung von Kohlenstoff in Böden herrschen noch große Wissenslücken, die von den Wissenschaftlern voraussichtlich nicht vor 2010 ausgeräumt werden können.
  • Problem der Abgrenzung: Wenn Senkenprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern angerechnet werden könnten, dann würde dies Anreize dafür liefern, Wälder abzuholzen, um sie hinterher im Rahmen von gemeinsam durchgeführten Projekten (CDM) wieder aufzuforsten. Außerdem könnte ein Aufforstungsprojekt an einem Ort durch ein zusätzliches Abholzungsprojekt an einem anderen Ort des Landes kompensiert werden.
  • Problem der Entwicklungsverträglichkeit: Senkenprojekte sind vermutlich mit langfristigen Verfügungsrechen über große Flächen verbunden. Wenn sie im Rahmen des CDM in Entwicklungsländern angerechnet werden könnten, dann können unter der einseitigen Nutzung des Waldes als CO2-Speicher die Interessen indigener Bevölkerungsgruppen leiden. Zudem würde ein Anreiz zur geschaffen, monokultureller Plantagenwirtschaft gegenüber naturnaher Bewirtschaftung des Waldes den Vorzug zu geben.

Die Verhandlungsposition der deutschen Bundesregierung und der EU

  • Der Anrechenbarkeit von Senken bei der Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls muss zumindest für die erste Verpflichtungsperiode (2008-2012) strikt limitiert werden.
  • Die Begriffe Aufforstung, Wiederaufforstung, Entwaldung müssen klar eingegrenzt und definiert werden. Zusätzliche Senkenaktivitäten darüber hinaus sollen in der ersten Verpflichtungsperiode nur dann angerechnet werden können, wenn alle Bedenken hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Größe und Messbarkeit ausgeräumt sind.
  • In Betracht dürfen nur Senkenaktivitäten nach 1990 kommen. Auch Entwaldung muss bei der Berechnung der Senkenaktivitäten berücksichtigt werden.
  • Senkenprojekte sollen nicht im Rahmen von gemeinsam durchgeführten Projekten mit Entwicklungsländern (CDM) angerechnet werden können.

4. Verhandlungspunkt: Erfüllungskontrolle ("Compliance")

Notwendiger Bestandteil des Kyoto-Protokolls wird ein System sein, das die Einhaltung der Emissionsreduktionsverpflichtungen kontrolliert und Maßnahmen für den Fall vorsieht, dass ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Dies ist zum einen wichtig, um die Glaubwürdigkeit des Protokolls und des internationalen Klimaschutzprozesses insgesamt zu gewährleisten. Zum anderen soll so verhindert werden, dass sich Länder durch Nichteinhaltung ihrer Minderungspflichten ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschaffen. Grundsätzlich können im Fall des drohenden oder tatsächlichen Vertragsbruchs eines Staates zwei Arten von Gegenmaßnahmen ergriffen werden: je nach Lage der Dinge können geeignete Hilfestellungen gegeben und/oder Sanktionen verhängt werden. Strittig ist in den Verhandlungen u.a., ob wirksame Sanktionen Teil des Systems der Erfüllungskontrolle sein sollen und wie scharf solche Sanktionen ausfallen sollen.

Die Verhandlungsposition der deutschen Bundesregierung und der EU

  • Es müssen wirksame Anreize für die Industrieländer geschaffen werden, ihre Kyoto-Ziele zu erfüllen. Ziel ist es, dass es gar nicht erst zum Vertragsbruch kommt. Dafür ist ein System mit harten Sanktionen notwendig - unterstützende Maßnahmen alleine reichen nicht.
  • Werden die bindenden Emissionsreduktionsverpflichtungen in der ersten Verpflichtungsperiode (2008-2012) überschritten, muss dies durch zusätzliche Emissionsminderungen samt einem Strafaufschlag in der nächsten Verpflichtungsperiode ausgeglichen werden.
  • Länder, die ihre Verpflichtung nicht erfüllen, nationale Treibhausgasemissionen korrekt und vollständig zu erfassen und diese Daten weiterzuleiten, sollen von der Teilnahme an den "flexiblen Mechanismen" ausgeschlossen werden. In der Aufbauphase solcher Treibhausgasbilanzen soll jedoch die Möglichkeit zugestanden werden, erste Projekte im Rahmen der "Joint Implementation" zwischen Industrieländern einzuleiten.

Verhandlungspunkt: Rolle der Entwicklungsländer

Die Klimarahmenkonvention von 1992, die von 186 Staaten ratifiziert wurde, sieht vor, dass die Industrieländer aufgrund ihrer besonderen Verantwortung im Klimaschutz voranschreiten sollen - schließlich werden 80% der weltweiten Treibhausgas-Emissionen von den 20% der Weltbevölkerung verursacht, die in den Industrieländern leben. Das Kyoto-Protokoll sieht deshalb für die erste Verpflichtungsperiode (2008-2012) verbindliche Emissionsreduktionsverpflichtungen lediglich für die Industrieländer vor.

Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, dass auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern möglichst rasch der Klimaschutz immer höhere Priorität erfährt. Hierfür sind in der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll mehrere Instrumente vorgesehen:

  • Die Stärkung der institutionellen und personellen Kapazitäten ("Capacity Building") in Entwicklungsländern,
  • der Transfer von umweltfreundlichen Technologien,
  • die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern durch die Industrieländer
  • der Clean Development Mechanism (CDM), der zur nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern beitragen soll.
Diese Instrumente werden von der Bundesregierung auf zwei Ebenen gefördert:
  • Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands: Jährlich fließen 500 Mio. DM in Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern, davon 200 Mio. DM in die Förderung erneuerbarer Energien und 250 Mio. in den Tropenwaldschutz. Außerdem unterstützt die Bundesregierung mit dem Sektorpilotvorhaben "Klimaschutz-Programm (KSP)" Entwicklungsländer bei der Umsetzung ihrer Chancen und Verpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention und dem Kioto-Protokoll. Dieses Projekt ist insgesamt mit 20 Mio. DM ausgestattet.
  • Multilaterale Förderung von Umweltprojekten in Entwicklungsländern: Die von den Industrieländern finanzierte Globale Umweltfazilität (GEF) unterstützt Programme und Projekte im Entwicklungsländern zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention (insbesondere Technologietransfer und die Stärkung von personellen und institutionellen Kapazitäten). Die GEF finanziert die Zusatzkosten, die verursacht werden, wenn Treibhausgasemissionen in Entwicklungsländern eingespart werden. Deutschland ist mit einem Anteil von 11 Prozent der gesamten Beiträge drittgrößter Geber. Seit 1991 hat die GEF sich mit 1,2 Mrd. US-Dollar an Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern beteiligt. Weitere 5,9 Mrd. US-Dollar wurden von anderen bi- und multilateralen Gebern und dem privaten Sektor in diese Projekte und Programme investiert.
Gegenstand der Verhandlungen in Bonn ist zum einen die Forderung der US-Regierung, dass auch die Entwicklungsländer Emissionsbegrenzungsverpflichtungen übernehmen sollen. Zum anderen muss mit den Entwicklungsländern geklärt werden, wie die technische und finanzielle Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention ausgestaltet werden soll. Hierbei wird auch wichtig sein, welche zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel geleistet werden können.

Die Verhandlungsposition der deutschen Bundesregierung und der EU

  • Die Forderung der USA, dass die Entwicklungsländer schon in der ersten Verpflichtungsperiode verpflichtende Obergrenzen für ihre Emissionen einhalten müssen, wird strikt abgelehnt. Eine solche Position ist weder aus Gerechtigkeitserwägungen angemessen (die Pro-Kopf-Emissionen in den Industrieländern sind 10-20fach so hoch wie in den Entwicklungsländern), noch im Rahmen des Kyoto-Protokolls verhandelbar, da dieses nur Reduktionen in den Industrieländern vorsieht. Eine Neuverhandlung des Kyoto-Protokolls von 1997 würde aber den Klimaschutzprozess um Jahre zurückwerfen.
  • Mittel- bis langfristig müssen auch die Entwicklungs- und Schwellenländer bereit sein, konkrete Verpflichtungen zur Begrenzung ihres Ausstoßes an Treibhausgasen zu übernehmen, um die weltweiten Emissionen auf ein unschädliches Maß zu begrenzen. Daher sollte ein Prozess initiiert werden, in dem der jeweiligen wirtschaftlichen Situation angemessene Verpflichtungen geprüft werden und im Ergebnis Schwellen- und Entwicklungsländer dann zukünftig möglicherweise solche Verpflichtungen übernehmen.
  • Deutschland ist bereit, einen bedeutenden finanziellen Beitrag für den Klimaschutz in Entwicklungsländern zu leisten. Hierzu gehören in erster Linie der Aufbau von personellen und institutionellen Kapazitäten, der Transfer von sauberen Technologien und erste Schritte im Bereich der Anpassung an den Klimawandel. Es wird jedoch darauf ankommen, für den Finanztransfer einen realistischen Ansatz zu finden.
  • Die vom Präsident der Konferenz Jan Pronk vorgeschlagenen Unterstützungs-Fonds sollten innerhalb bereits bestehender Institutionen gebündelt werden, anstatt neue Institutionen der Finanzierung globaler Umweltpolitik zu schaffen. Hier bietet sich insbesondere die "Global Environmental Facility (GEF)" an, die seit 1991 neben anderen Aufgaben des globalen Umweltschutzes bereits Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern finanziert.

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