Die im kommunistisch regierten China seit den 50er Jahren in der "Patriotischen Protestantischen Drei-Selbst-Bewegung", zusammengefassten evangelischen Christen wollen zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Bischöfe weihen. Dies teilte der Präsident des Theologischen Seminars in Nanjing, Bischof K.H. Ting, am 13. Oktober einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit, die derzeit China besucht. Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber begrüsste die Entscheidung als Schritt zur Eigenständigkeit der kirchlichen Strukturen. Dies werde den Zusammenhalt zwischen den chinesischen Gemeinden stärken, sagte er.
Die Ankündigung der Bischofsweihe wurde in Kirchenkreisen als sensationell bewertet. Ting, der bald seinen 90. Geburtstag feiert, war bereits vor der Gründung der kommunistisch regierten Volksrepublik China im Jahr 1949 zum Bischof der anglikanischen Kirche geweiht worden. Er ist heute der einzige noch lebende protestantische Bischof in China.
"Wir haben beschlossen, dass die Kirche Chinas mehr wie eine richtige Kirche werden soll", begründete Ting den Entschluss. Man wolle die "apostolische Nachfolgeregelung" wiederbeleben. Die Bestimmung der Bischöfe solle durch Handauflegen durch Geistliche geschehen, die bereits selbst Bischöfe sind, sagte er.
"Da es ausser mir niemand mehr gibt, wollen wir einige Bischöfe aus dem Ausland zum Handauflegen einladen", sagte er. Wann die ersten Bischöfe geweiht und nach welchem Modus sie gewählt würden, stehe noch nicht fest. Frauen seien mit Sicherheit darunter.
Chinas Protestanten dürfen sich seit den 50er Jahren nur einer einzigen Gemeinschaft anschliessen: Der "Patriotischen Protestantischen Drei-Selbst-Bewegung", die vom Staat streng kontrolliert wird. Sie versteht sich als selbstständige Organisation, die von ausländischen Kirchen unabhängig ist und nach innen jede Aufspaltung nach Denominationen ablehnt.
Zusammen mit dem 1980 gegründeten Chinesischen Christenrat (CCC) gilt die Drei-Selbst-Bewegung als einzig zugelassene Vertretung der protestantischen Christen in China. Die Zahl ihrer Mitglieder wird auf 16 bis 18 Millionen geschätzt. Daneben gibt es mindestens noch einmal so viele evangelische Christen in nicht registrierten Hauskirchen, schätzen Experten. Bischof Ting stand bis 1996 an der Spitze des Christenrates und der Drei-Selbst-Bewegung.
Im April dieses Jahres besuchten Vertreter der Weltkirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in China adventistische Kirchengemeinden und führten Gespräche mit Regierungsvertretern über die heutige religiöse Situation im bevölkerungsreichsten Land der Welt. Die freikirchliche Delegation führte auch Gespräche mit Vertretern des Ständigen Komitees der Drei-Selbst-Bewegung sowie mit Chinesischen Christenrat.
Der Christenrat versteht sich als Dachorganisation und Dienstleistungseinrichtung für die Protestanten in China, einschliesslich der drei protestantischen Denominationen: die Wahre Kirche Jesu, die Kleine Herde und die Siebenten-Tags-Adventisten, die sich nur partiell mit dem CCC verbunden fühlen. Diese drei Kirchen haben auch in der so genannten "post-konfessionellen" Einheitsphase weitgehend ihre theologische Unabhängigkeit behalten. Die Adventisten zählen heute nach eigenen Angaben in der Volksrepublik China mehr als 317 000 Mitglieder, die sich in über 850 Kirchengemeinden versammeln.
Die offizielle katholische Kirche in China gehört zur "Chinesischen Patriotischen Katholikenvereinigung", die den Vatikan nicht anerkennt. Es existiert auch eine Vatikan-treue "Untergrundkirche". Experten schätzen die Zahl der Katholiken auf insgesamt rund zehn Millionen Menschen.