Als erste grössere protestantische Glaubensgemeinschaft Nordamerikas wird die Christliche Kirche (Jünger Christi) künftig von einer Frau geleitet. Während der Generalversammlung der Kirche in Portland (Oregon) wählten die über 3'000 Delegierten die Theologin Dr. Sharon E- Watkins (51) einstimmig an die Spitze der rund 750'000 Mitglieder zählenden Denomination, die Anfang des 19. Jahrhunderts aus baptistischen, methodistischen und presbyterianischen Wurzeln entstanden ist. Watkins tritt die Nachfolge von William Chris Hobgood an, der die Kirche in den USA und Kanada seit dem Jahr 2003 leitete.
Die 1954 geborene Watkins ist mit dem Professor für Altes Testament am Phillips Theological Seminary, Richard (Rick) H. Lowery, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, Bethany und Christopher. Sie promovierte am Phillips Theological Seminary in Tulsa (Oklahoma) im Bereich Praktische Theologie und erlangte die akademischen Grade Master of Divinity an der Yale Divinity School in New Haven (Connecticut) und Bachelors in Französisch und Wirtschaft an der Butler University in Indianapolis. 1984 wurde sie als Pfarrerin ordiniert.
An der Generalversammlung der Christlichen Kirche (Jünger Christi), die vom 23. bis 27. Juli stattfand, nahmen auch der Methodistenpfarrer Samuel Kobia, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und die kubanische Theologin Ofelia Ortega, Vorsitzende der Kommission für Bildung und Ökumenische Ausbildung des Reformierten Weltbundes (RWB) teil. Die Jünger Christi mit 3'775 Kirchengemeinden und 3'503 Gemeindeseelsorgern gehören dem ÖRK als Mitgliedskirche an.
Religionsexperten werten die Wahl einer Frau zur Hauptpfarrerin und Präsidentin dieser grossen protestantischen Kirche in Nordamerika als "bedeutend", gehen aber nicht davon aus, dass dies zwangsläufig zu einer stärkeren Präsenz von Frauen in hohen Kirchenämtern führt.
"Es gab zwar bereits Frauen als Bischöfe (Bischöfinnen); bis heute stand aber noch nie eine Frau an der Sitze einer grossen protestantischen Gemeinschaft," sagte Adair Lummis vom Hartford Institute for Religion Research, das die Rolle von Pastorinnen untersucht.
Erst vor knapp vier Wochen kam es auch bei der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten überraschend zur Wahl von zwei Frauen in hohe Kirchenämter. Die 2'000 Delegierten der Weltsynode der Adventisten in St. Louis, im US-Bundesstaat Missouri, wählten zwei Afro-Amerikanerinnen, Dr. Ella Louise Smith Simmons (57), zur Vizepräsidentin und Rosa Taylor Banks, zur stellvertretenden Generalsekretärin der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz), Die Adventisten sind eine weltweite protestantische Freikirche mit über 25 Millionen Gottesdienstbesuchern.