Ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg hat die Eigentumsrechte nichtmuslimischer Minderheiten in der Türkei gestärkt. Das europäische Gericht verurteilte die Türkei unter Androhung einer Entschädigungszahlung von 890.000 Euro zur Rückgabe von zwei Immobilien, die der Stiftung einer griechisch-orthodoxen Schule in den 50er-Jahren geschenkt und 1996 vom Staat beschlagnahmt worden waren. Diese Einmischung des Staates in die Angelegenheiten der Kirche sahen die Strassburger Menschenrechtshüter als unverhältnismässig und unzulässig an. Es gebe ausserdem keinen Zweifel, dass die Eintragung der Schenkung legal gewesen sei. Nutzniesser dieser Entscheidung sind in erster Linie das griechisch-orthodoxe Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel und die armenisch-apostolische Kirche.
Wie türkische Tageszeitungen berichteten, könnte das Urteil dramatische Folgen für die Türkei haben - sowohl innenpolitisch als auch aussenpolitisch. Denn die Entscheidung gilt als richtungweisend für rund 900 ähnlich gelagerte Fälle, in denen christliche Stiftungen die Rückgabe enteigneter Immobilien fordern könnten. Ohne eine Änderung der entsprechenden Gesetze, wie dies auch seit längerem von der Europäischen Union gefordert wird, könnten auf die Türkei Entschädigungsforderungen von mindestens 25 Millionen Euro zukommen, schreibt die liberale Zeitung "Radikal". Eine im vergangenen Jahr vom türkischen Parlament verabschiedete Gesetzesreform konnte nach einem Veto des Staatspräsidenten bisher nicht in Kraft treten.
Der Menschengerichtshof wurde 1959 von den Mitgliedsstaaten des Europarates eingerichtet, um Verstösse gegen die 1950 in Kraft getretene Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu ahnden.