Erstmals gab es bei einem Deutschen Evangelischen Kirchentag ein "Podium Freikirchen". Dabei sprach in der baptistischen Friedenskirche der Kölner Altstadt der Pastor Dr. Dietmar Lütz (Hamburg) vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden über das Thema "Frei und verbunden: Die mit fröhlichem Ernst Christen sein wollen. Freikirchliche Anstösse für die Kirche der Zukunft". Der vormalige Beauftragte der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) am Sitz der Bundesregierung in Berlin erinnerte an Martin Luther, der 1526 beklagte, dass vielen evangelischen Christen der Glaube fehle. Der Reformator hätte sich Evangelische gewünscht, die sich in überschaubaren Hausgemeinden ohne besondere Geistliche "im Wort, im Gebet und in der Liebe" versammelten, weil sie mit dem Christentum Ernst machen wollten. Luthers Traum habe sich jedoch nicht verwirklichen lassen. Die Täufer, welche zum sogenannten "linken Flügel" der Reformation gehörten, hätten dagegen nur Christen aufgenommen, die ihren Glauben an Jesus ausdrücklich bekannten, doch sie seien deswegen von den Evangelischen verfolgt worden. "Träume durften damals nicht wahr werden", so Lütz.
Obwohl die Freikirchen in Deutschland eine Minderheit seien, sollte doch bedacht werden, dass es weltweit etwa 200 Millionen Methodisten, Baptisten, Mennoniten und Adventisten gebe, die damit wesentlich mehr Mitglieder umfassten als die Lutheraner (75 Millionen). Zwar seien laut Lütz die Freikirchen recht unterschiedlich, doch sie verbinde, dass sie in überschaubaren Gemeinden nur Christen aufnähmen, die das auch selbst wollten. Diese Christen orientierten sich als Richtschnur für ihr Leben an der Bibel, wobei es kein kirchliches Amt als besondere Auslegungsinstanz gebe. Sie praktizierten freiwillige Diakonie nach innen und aussen und würden andere Menschen ansprechen, damit auch sie an Jesus Christus glaubten. Freikirchler versuchten Luthers Traum zu verwirklichen.
Freikirchen könnten anderen Kirchen Anstösse geben, etwa durch eine neue Wertschätzung der Freiwilligkeit. Lütz rief dazu auf, Mut zu zeigen, um "über das Ende der Kirchensteuer und der Ämterkirche nachzudenken". Impulse könnten auch durch eine neue Wertschätzung des Bibellesens ausgehen. Wenn sich einfache Menschen mit der Bibel befassten und sie für sich auslegten, sei das kein Fundamentalismus. "Fundamentalismus ist nicht das Bibellesen, sondern wenn das Nachdenken über das Gelesene und das Stellen bestimmter Fragen verboten wird", betonte Pastor Lütz. Für eine Kirche der Zukunft sei auch eine neue Wertschätzung der Ortsgemeinde „als selbständiger Baustein der weltweiten Kirche Jesu“ wichtig. Dabei gelte es, ohne Überheblichkeit zwischen Christen und Nichtchristen zu unterscheiden. Hilfreich könne ebenfalls eine neue Wertschätzung sein, mit der Botschaft des Evangeliums auch andere Menschen bekanntzumachen.
Über das Referat diskutierten in einem Podiumsgespräch Pastor Markus Iff, Dozent am Theologischen Seminar des Bundes Freier Evangelischer Gemeinden in Ewersbach/Dillkreis, Pastor Michael Mainka (Langenfeld) von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Tobias Kayser (Köln) von den Jesus Freaks und Ökumenepfarrer Dr. Martin Bock (Köln) von der Evangelischen Kirche im Rheinland. Bock betonte, dass sich die evangelischen Kirchen in Deutschland seit einigen Jahren ebenfalls mit dem Thema Mission befassten, hier aber durchaus Anregungen und Hilfen seitens der Freikirchen benötigten, um Menschen die Evangeliumsbotschaft verständlich zu machen. Bei den anschliessenden Fragen der Zuhörer ging es unter anderem um Fröhlichkeit, Bibellesen und Ordination von Frauen bei den Freikirchen.