Wenige Tage vor den vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine hat sich der griechisch-katholische Grosserzbischof, Kardinal Lubomyr Husar, im Gespräch mit der freikirchlichen Nachrichtenagentur APD gegen eine "Verpolitisierung der Kirchen und für eine strikte Trennung von Staat und Kirche" in der Ukraine ausgesprochen. Derzeit würden staatliche Kräfte versuchen, die Kirchen zu instrumentalisieren. Die enge staatliche Kooperation mit der autonomen Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats gebe Anlass zur Sorge, so Husar. Die griechisch-katholische Kirche hingegen habe eine Zusammenarbeit mit den Machthabern stets abgelehnt.
Der Grosserzbischof von Kiew und Halytsch forderte vom ukrainischen Staat durch Schaffung eines rechtlichen Rahmens eine klare Trennung von Staat und Kirche voranzutreiben. Konkret bedeute dies, dass der Staat für die volle Gleichberechtigung aller vier traditionellen ukrainischen Kirchen sorgen müsse. Unerwähnt liess der Kardinal in diesem Zusammenhang jedoch die über 70 offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften des Landes. "Allerdings müssen die Kirchen erst lernen, wie man partnerschaftlich mit dem Staat und seinen Organen umgehen soll“, gestand Husar. Während der kommunistischen Herrschaft seien die Kirchen im Lande staatlich kontrolliert und manipuliert worden. "Erst jetzt sind wir wieder auf dem Weg zu einer Partnerschaft." Sinnbildlich verglich der Kardinal das Zusammenleben zwischen Kirche & Staat mit der Ehe von Mann und Frau.
Heute gibt es in der multiethnisch und konfessionell geprägten Ukraine vier konkurrierende orthodoxe Richtungen: die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOC-MP), die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats (UOC-KP), die autokephale ukrainisch-orthodoxe Kirche (UAOC) und die griechisch-katholische (unierte) Kirche (UGCC) byzantinischer Tradition.
Die römisch-katholische Kirche lateinischer Tradition und die Armenisch-katholische Kirche (katholische Ostkirche mit Armenischem Ritus) sind zahlenmässig kleine Gemeinschaften.
Die Zusammenarbeit unter den gespaltenen orthodoxen Kirchen gestalte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten immer produktiver. Allerdings habe die Verlegung des Sitzes von Grosserzbischof Husar von Lwiw (Lemberg) nach Kiew im Jahre 2005 auf Seiten der Ukrainischen Orthodoxren Kirchen des Moskauer und Kiewer Patriarchats Proteste hervorgerufen. Husar rechtfertigte die Verlegung seines Amtssitzes: "Das Oberhaupt jeder Kirche sollte in der Hauptstadt sein." Trotz dieser Irritationen werde jedoch immer wieder betont, dass der Dialog zwischen den vier orthodoxen Kirchen notwendig sei.
Da der Trennung unter den orthodoxen Kirchen nicht theologische oder liturgische Probleme, sondern kirchenpolitische Interessen und persönliche Ambitionen zu Grunde lägen, gebe es derzeit keine theologischen Gespräche. Die Zusammenarbeit beschränke sich vielerorts auf die karitative Tätigkeit unter Orthodoxen.
Als theologisches Modell für eine Einheit sollte man die Idee der kirchlichen "Communio" des Zweiten Vatikanums weiter entwickeln, empfahl Husar. Dies bedeute kein Einheitsmodell, in dem die verschiedenen Kirchen in einer einzigen Kirche verschmelzen, sondern das Modell einer "Einheit in Vielfalt". Der Kardinal erinnerte daran, dass die Einheit auf der Grundlage der Heiligen Schrift der Wille Gottes sei und stellte die Frage: "Was ist so schlimm daran, wenn es zu keiner Verschmelzung in einer einzigen Kirche kommt?"