Die christlichen Kirchen in Kenia bemühen sich nach Angaben des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf "mit aller Kraft ihren Teil dazu beizutragen, dass das Land nicht in einen Genozid abgleitet". Sie strebten eine langfristige Heilung an und seien dabei auf die fortdauernde Unterstützung internationaler ökumenischer Partner angewiesen.
In dem Vielvölkerstaat waren Ende Dezember nach dem auch international umstrittenen Wahlsieg von Präsident Mwai Kibaki gegen Oppositionsführer Raila Odinga schwere Unruhen ausgebrochen. Seither bekriegen sich unterschiedliche Volksgruppen, das Land droht in einem Bürgerkrieg zu versinken. Der Streit um den Machtanspruch zwischen den Lagern konnte bisher trotz intensiver Vermittlungsbemühungen noch nicht beigelegt werden. Nach Angaben des Kenianischen Roten Kreuzes kamen etwa 1000 Menschen ums Leben, mehr als 300.000 Menschen seien auf der Flucht. Einige Hilfswerke haben inzwischen wegen der instabilen innenpolitischen Lage ihre Arbeit in Kenia eingestellt.
Solidarität mit den kenianischen Kirchen
"Das Land befindet sich weiterhin am Rande eines Völkermords; dagegen werden die Kirchen auf verschiedenen Ebenen aktiv", sagte der Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates von Kenia (NCCK), Kanonikus Peter Karanja, gegenüber einer ÖRK-Delegation. "Die Menschen in Kenia wollen, dass ihre politischen Führer sich zum Frieden bekennen und ihre Meinungsverschiedenheiten beilegen. Dafür ist jedoch ein politischer Kompromiss nötig," so Karanja. Die siebenköpfige Delegation war vom 30. Januar bis 3. Februar in Kenia, um im Rahmen der vom ÖRK ins Leben gerufenen Initiative "Lebendige Briefe" die Solidarität der internationalen ökumenischen Gemeinschaft mit den Kirchen in Gewaltsituationen zu bekunden. In Kenia führten die ÖRK-Kirchenvertreter Gespräche mit dem kenianischen Vizepräsidenten, Kalonzo Musyoka, da Präsident Mwai Kibaki zu dem Zeitpunkt am Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Addis Abeba (Äthiopien) teilnahm, sowie mit dem Parteichef und Präsidentschaftskandidaten der "Orange Democratic Movement" (ODM), Raila Odinga.
Die Kirchen in Kenia forderten die Verantwortlichen der zwei grössten Parteien, die sich in einer politischen Sackgasse befinden, auf, Gespräche miteinander zu führen. "Niemand ist unschuldig", sagte NCCK-Generalsekretär Karanja, "Wir beten, dass der von Kofi Annan geleitete Vermittlungsprozess Früchte trägt". Der frühere UNO-Chef Annan moderiert in Nairobi im Auftrag der Afrikanischen Union weiter im Streit zwischen dem Präsidenten und dem Oppositionsführer.
Friedens-Vermittlung durch Interreligiöses Forum
Die Kirchen des Landes engagieren sich in einem "Interreligiösen Forum für den Frieden" und organisieren darüber hinaus persönliche Begegnungen zwischen leitenden Kirchenvertretern/innen, die unterschiedlichen Volksgruppen angehören. An der ersten Begegnung am 30. Januar in Nairobi nahmen 25 Bischöfe verschiedener Konfessionen teil, die den Volksgruppen der Kalenjin wie auch der Kikuyu angehörten. Am Forum beteiligen sich Vertreter der römisch-katholischen Kirche, protestantischer und evangelikaler Kirchen, der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, afrikanischer unabhängiger Kirchen sowie der muslimischen und hinduistischen Gemeinschaft. Angesichts der Krise konzentriere sich das Forum in seiner Arbeit auf die Unterstützung politischer Vermittlungsbemühungen, die Bereitstellung humanitärer Hilfe, die Koordinierung einer landesweiten Gebetsbewegung und die Zusammenarbeit mit den Medien, um immer wieder Friedensaufrufe zu verbreiten.
Christen an Plünderungen und Morden beteiligt
Der römisch-katholische Erzbischof der Hafenstadt Mombasa, Boniface Lele, rief die Kenianer eindringlich zum inneren Frieden auf und beklagte, dass das Land immer mehr in "ethnische Konflikte und Rache-Aktionen" hinein gleite. Der Erzbischof zeigte sich schockiert, dass sich auch Christen "an Plünderungen und Morden" beteiligten, und rief sie eindringlich zur Umkehr auf.
Der Generalsekretär des nationalen Kirchenrates, Peter Karanja, wies darauf hin, dass die Heilung der Wunden, die durch die Krise entstanden sind, lange Zeit brauchen werde und Mittel erforderten, die die Kapazitäten der kenianischen Kirchen übersteigen. "Alle, auch die Politiker, erwarten, dass die Kirchen eine wichtige Rolle bei der Versöhnungs- und Heilungsarbeit, bei der Wiederansiedlung der Vertriebenen und dem Aufbau von Vertrauen spielen werden", betonte Karanja und fügte hinzu: "Wir werden die umfassende und engagierte Unterstützung unserer internationalen ökumenischen Partner brauchen, wenn wir diese Erwartungen erfüllen wollen."
Kurzfristig gesehen, scheinen Gebete aber noch dringender zu sein. "Ihr müsst für uns beten, damit die Menschen wieder zur Vernunft kommen", erklärte Nzimbi. "Wir müssen alles tun, damit Kenia wieder zur Normalität zurückfindet."
Die ökumenische Delegation wurde während ihres Besuchs auch über die tief verwurzelten geschichtlichen Ursachen informiert, die dem gegenwärtigen Konflikt in Kenia zugrunde liegen. Zu den wichtigsten Problemen gehören ungerechte Landverteilung, Diskriminierung beim Zugang zu staatlichen Ressourcen, fehlende Chancengleichheit sowie vermeintliche oder reelle Privilegien für bestimmte ethnische Gruppen.
"In Kenia wird niemals dauerhafter Friede herrschen, wenn diese grundlegenden Fragen nicht geregelt werden", erklärte der Generalsekretär des NCCK.
Annan handelte Friedensplan aus
Am 1. Februar hatten sich die Konfliktparteien in Kenia sich unter Vermittlung des früheren UN-Generalsekretärs Annan nach wochenlangem Blutvergießen auf einen Plan zur Beendigung der Gewalt geeinigt. "Der Plan umfasst sowohl kurzfristige als auch langfristige Maßnahmen", sagte Annan. "Wir haben einen guten Anfang gemacht", meinte er.
Zu den kurzfristigen Schritten gehören ein sofortiger Stopp der Gewalt, die Respektierung der Menschenrechte, eine Lösung für die humanitäre Krise des Landes und die Durchsetzung von Presse- und Meinungsfreiheit. Diese Maßnahmen sollen innerhalb von 14 Tagen umgesetzt werden. Langfristig sollen institutionelle Reformen und eine Landreform verwirklicht sowie Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut getroffen werden.
Unterhändler von Regierung und Opposition vereinbarten am 4. Februar erste konkrete Schritte zur Beendigung der Gewalt. So soll nach dem Vorbild Südafrikas eine Friedens- und Versöhnungskommission gegründet werden. Zudem soll es Friedenskundgebungen geben, die von Mitgliedern der Regierung und der Opposition gemeinsam abgehalten und im Fernsehen übertragen werden sollen. Das Informationsministerium hob inzwischen das seit Ende Dezember geltende Verbot für Live-Berichterstattungen auf. Das Demonstrationsverbot besteht aber fort.