Um den Zustand, die Entwicklung und Zukunft der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland ging es am 8. März während einer Tagung der adventistischen "Gemeindeakademie" im westfälischen Altena. In einer Situationsanalyse schilderte der Kirchenhistoriker Lothar E. Träder (Darmstadt) den Weg der Freikirche von ihrer Gründung 1863 bis in die Neuzeit. Dabei formulierte er die These, dass sich die Adventisten auf fast allen Gebieten genau so verhielten wie eine typische christliche Bewegung in ihren kirchengeschichtlichen Entwicklungsstadien.
Der Referent wies darauf hin, dass sich die Adventisten im ersten Jahrhundert ihrer Existenz durch eine große Begeisterung für die Mission auszeichneten, während im zweiten Jahrhundert andere Prioritäten in den Vordergrund traten. Die ersten hundert Jahre seien durch eine Naherwartung der Wiederkunft Christi und durch eine Geistesleitung der Gründerpersönlichkeiten gekennzeichnet. "Hinzu kamen ein Missionseifer, der selbst das Martyrium nicht scheute, und die Auslegung bestimmter biblischer Sonderlehren." Nach einer Umbruchphase Anfang des 20. Jahrhunderts folgte im zweiten Jahrhundert des Bestehens der Freikirche eine Phase der Veränderungen. Die Naherwartung sei durch eine ruhigere Erwartungshaltung abgelöst worden. Eine feste Ordnung des kirchlichen Amtes habe die Geistesleitung ersetzt. "Die religiöse Bewegung wurde zur Kirche mit eigenem Kirchenrecht", fasste Träder die Entwicklung zusammen.
In seiner Situationsanalyse vertrat der Theologe die Ansicht, dass die adventistischen Ortsgemeinden in Deutschland auf der Suche nach ihrem Bild von Kirche und nach dem richtigen Weg für das Miteinander von Amt und Laien häufig in Differenzen zwischen real gelebtem Glauben und den Postulaten der Kirchenleitung lägen. Zu den Gefährdungen zählte der Referent die mögliche Entstehung einer "Kirche in der Kirche" sowie eine schleichende Abspaltung wegen kultureller Vielfalt, theologischen Extrempositionen, Generationenkonflikt und Gottesdienstformen.
Träder zeigte die Richtung auf, in die nach seiner Auffassung der Weg führen könnte: Die repräsentative Form der adventistischen Kirchenverwaltung als Gemeinschaft der Ortsgemeinden erkennt an, dass die Autorität der Gemeinde auf deren Gliedern beruht, die wiederum Leitung und Verwaltung der Kirche durch Wahlen auf repräsentative Gremien und Verantwortungsträger überträgt. Diese Verwaltungsform erkennt auch die Ordination aller Geistlichen als gleichwertig an. In seinem Plädoyer warnte der Kirchenhistoriker vor dem Trend einer zunehmenden Zentralisierung in der Freikirche und sprach sich für mehr Selbstverantwortung auf der Ebene der Ortsgemeinde aus. "Ohne die Ortsgemeinde läuft nichts, zumal die Freikirche als solche nur gesund sein kann, wenn auf der Ebene der örtlichen Kirchengemeinden ein gesundes, geistliches Leben existiert."