Zum Abschluss seiner Nahost-Reise besuchte der US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama am 24. Juli noch die Klagemauer in Jerusalem und hielt an der heiligsten Stätte des Judentums für ein Gebet inne. Anschliessend steckte er nach jüdischem Brauch einen kleinen Zettel in eine Ritze zwischen den Steinen. Was auf dem Stück Papier geschrieben stand, sollte eigentlich zwischen Gott und Obama bleiben. Die Diskretion an der Klagemauer dauerte jedoch nach Medienberichten nicht lange. Ein Religionsstudent soll der Versuchung nicht widerstanden haben und suchte nach Obamas Zettel. Anschliessend gab er dessen Inhalt an die israelischen Tageszeitung "Ma'ariv" weiter.
Im Gebetszettel bittet Obama Gott um Vergebung seiner Sünden, wie die Zeitung "Maariv" meldete. Das Blatt veröffentlichte inzwischen ein Foto des Zettels samt Inhalt. Andere Zeitungen verzichteten dagegen aus Respekt vor der religiösen Privatsphäre Obamas auf eine Veröffentlichung der Bitte.
Die deutsche Tageszeitung "Die Welt" kommentierte diese Gebetszettel-Indiskretion mit Humor: "Um das Veröffentlichte muss sich der Kandidat aber nicht sorgen. Weder bat er Gott darum, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen noch seinem Konkurrenten John McCain die Pest an den Hals: 'Gott - schütze meine Familie und mich', schrieb Obama auf das Briefpapier seines Hotels in Jerusalem. 'Vergib mir meine Sünden und hilf mir, mich vor Stolz und Verzweiflung zu hüten. Gib mir die Weisheit, dass Rechte und Gerechte zu tun und mache mich zu einem Instrument deines Willens.'"
Während die Zettel meist intime Wünsche der Gläubigen beinhalten, hatte Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch an der Klagemauer im Frühjahr 2000 den Text seiner am ersten Fastensonntag des Heiligen Jahres verlesenen Vergebungsbitte für das von Christen an Juden begangene Unrecht in einer Ritze der Westmauer des Tempels deponiert. Israel veröffentlichte eine Gedenkbriefmarke mit dieser Szene.