"Die Position der katholischen Kirche zur Ökumene ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil völlig klar", betonte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, in einem Gespräch mit "Radio Vatikan". Ökumene sei für die römisch-katholische Kirche nicht eine Option, sondern "eine Pflicht, die in der Botschaft Jesu begründet ist". Dies gelte auch für den Papst. Er kenne gar keinen anderen Kirchenführer, der "so oft, so eindringlich und so klar" über die Ökumene spreche und sich zur Ökumene bekenne, betonte Kasper. Dem Papst das Gegenteil zu unterstellen, sei "ungerecht" und gehe an der Sache vorbei.
Kardinal Kasper zur Papstkritik: Man schlägt den Sack und meint den Esel
Die jüngsten Diskussionen im Zusammenhang mit der Lefebvrianer-Krise seien sehr aggressiv und antirömisch geprägt, betonte der Kardinal im Radiogespräch weiter. Doch auch hinter den vatikanischen Mauern sei einiges nicht optimal gelaufen: "Man wird zugeben und einräumen müssen: Am Anfang sind dort Versäumnisse und Fehler in der Kommunikation gemacht worden. Das ist eindeutig, das ist klar. Aber die Diskussion, wie sie jetzt etwa in Deutschland läuft, sprengt ja alle Massstäbe. Was da zum Vorschein kommt, ist nicht nur Kritik an diesem oder jenem Verhalten der Kurie, sondern das ist einfach antirömischer Affekt und zum Teil einfach blanker Kirchenhass".
Wörtlich sagte der aus Deutschland stammende Kardinal: "Man macht den Papst lächerlich, nach dem Prinzip: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Wenn man den Papst in dieser Weise völlig ungerecht heruntersetzt, dann richtet sich das nicht nur gegen Benedikt XVI., dann richtet sich das gegen die katholische Kirche. Ich meine, die Katholiken müssen jetzt aufstehen und sagen: Das lassen wir uns nicht gefallen, das ist Intoleranz". Wenn so über den Dalai Lama geredet würde, dann wäre die Empörung sehr gross. Über den Papst so zu reden, sei offensichtlich möglich, bedauerte Kasper. Das gehe nicht, das können sich "die Katholiken nicht bieten lassen und das sollten sie auch deutlich sagen".
Kirchenspaltung durch Pius-Bruderschaft und Trennung durch Reformation Luthers
Zur Bedeutung des Zweiten Vatikanums in der katholischen Kirche von heute, betonte Kasper: "Auch die Haltung zum Zweiten Vatikanischen Konzil ist für uns Katholiken und insbesondere für den Papst völlig klar. Der Papst hat sich schon oft auf das Zweite Vatikanum bezogen und gesagt: Das ist die Basis, auf der wir stehen. Ein Zurück ist, auch wenn es der Papst wollte, für ihn ja gar nicht möglich. Darüber kann überhaupt keine Diskussion sein, Jetzt ist die Bruderschaft Pius X. am Zug. Der Papst hat die Exkommunikation aufgehoben mit dem Ziel, einen Dialog über das Zweite Vatikanische Konzil zu eröffnen."
Der Kurienkardinal betonte weiter: "Man hat der katholischen Kirche schon oft vorgeworfen, dass sie im 16. Jahrhundert mit Luther nicht den Dialog gesucht und Luther sehr schnell gebannt hat. Dadurch erst ist es zur Kirchenspaltung gekommen. Ich will diese These jetzt nicht diskutieren, aber der Papst möchte sich das nicht noch einmal vorwerfen lassen. Er möchte von seiner Seite her alles tun, um einen Dialog zu ermöglichen. Allerdings bin ich besorgt über das Interview vom Leiter der Pius-Bruderschaft, Bischof Fellay, das ich gelesen habe. Es gibt mir Eindruck, dass die Bereitschaft zu einer ehrlichen Diskussion dort nicht gegeben ist. So bin über den Ausgang sehr besorgt. Man wird der Pius-Bruderschaft sagen müssen: Ihr müsst jetzt auch vom Hohen Ross herunter. Ihr könnt nicht als Gruppe bestimmen wollen, was am Konzil gültig ist und was nicht gültig ist. Das ist nicht eine katholische Einstellung, das ist im Grunde ein protestantisches Prinzip, von dem ihr euch leiten lasst. Ihr müsst euch jetzt in der Kirche und mit der Kirche einfügen in die Diskussion, die es ja auch in der Kirche über das Zweite Vatikanische Konzil gibt. Also: Die Pius-Bruderschaft ist jetzt am Zug und sie sollte positiv reagieren."
Römischer Einheitsbegriff mit Ökumenevorstellung anderer Kirchen unvereinbar
Der Begriff "Ökumene" entspricht nach römisch-katholischem Einheitsverständnis nicht der Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Dieser gemeinsame Glaubensgrund aller ÖRK-Mitgliedskirchen lautet wörtlich: "Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäss der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes."
Das römisch-katholische Ökumeneverständnis kommt in der Glaubensüberzeugung zum Ausdruck, dass in ihr die eine Kirche Jesu Christi verwirklicht ist ("substitut"). Dieser Glaube schliesst zwar nicht aus, auch ausserhalb der römisch-katholischen Kirche "vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit" anzuerkennen, "die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen".
Die römisch-katholische Kirche versteht unter der Ökumenischen Bewegung "Tätigkeiten und Unternehmungen, die je nach den verschiedenartigen Bedürfnissen der Kirche und nach Möglichkeit der Zeitverhältnisse zur Förderung der Einheit der Christen ins Leben gerufen und auf dieses Ziel ausgerichtet sind" (Dekret über den Ökumenismus "Unitatis redintegratio", 21.11.1964).
Die katholische Position der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat das Zweite Vatikanische Konzil nur insofern modifiziert, dass die getrennten Christen nicht mehr nur zur "Rückkehr" unter die päpstliche Zuständigkeit eingeladen wurden, sondern ein gegenseitiger Lernprozess angestossen wurde. Unabdingbar für das katholische Verständnis von Ökumene bleibt der katholische Begriff der Kirche, einschliesslich des päpstlichen Primats. Dazu heisst es in der dogmatischen Konstitution über die katholische Kirche: "Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche.", (Konstitution Lumen gentium, Nr. 23) Das vollmächtige Amt hat nach katholischer Lehre zur Bedingung, dass es in der Kette der Sukzession der Nachfolger Petri steht und in Gemeinschaft mit und unter dem Papst wahrgenommen wird.
Zu den bisher als unüberwindbar eingestuften theologischen Hürden zwischen der römisch-katholischen Kirche und den anderen Kirchen zählen: die Beziehung zwischen der Heiligen Schrift als oberster Autorität in Sachen des Glaubens und der Tradition als unerlässlicher Interpretation des Wortes Gottes; das Verständnis der Eucharistie; die Weihe als Sakrament zum Dienstamt in seinen drei Stufen (Bischof, Priester, Diakon); die Bedeutung des kirchlichen Lehramtes und die Jungfrau Maria, Gottesmutter und Ikone der Kirche (Enzyklika Ut unum sint, Nr. 79).