„Seit dem Erdbeben am 12. Januar sind die Ärzte vom ‚Hospital Adventiste d’Haiti‘ im Einsatz, um Verletzte zu versorgen. Bis auf diesen Tag reißt der Zustrom nicht ab“, berichtete Fritz Neuberg, Mitarbeiter der Adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA Deutschland, aus Port-au-Prince. Ausländische Chirurgen hätten das örtliche Ärzteteam inzwischen verstärkt. Der Bedarf an Medikamenten und medizinischem Gerät sei dennoch kaum zu bewältigen. Vor allem fehle es an Knochensägen, denn bei vielen Patienten müssten Gliedmaßen amputiert werden, und das meistens ohne Narkose. „ADRA Deutschland konnte hier durch eine Medikamentensendung der deutschen Johanniter eine vorübergehende Entlastung schaffen.“ Die Lieferung sei jedoch schon aufgebraucht, denn auch andere Not leidende Krankenhäuser hätten davon profitiert, so Neuberg. Insgesamt wären in Port-au-Prince über 250.000 Menschen auf medizinische Hilfe angewiesen.
Allein auf dem Areal des Krankenhauses und der benachbarten Adventistischen Universität hätten über 10.000 Menschen Zuflucht gefunden. Nachts seien es über 30.000 Obdachlose, die hier Sicherheit und Schutz suchten. Die Versorgung der vielen Menschen mit Trinkwasser und Nahrung sei eine große Herausforderung. „Die Ausgabestellen müssen jedoch durch Polizei und Militär gesichert werden, um Übergriffe zu vermeiden“, teilte Neuberg mit.
Auch die Unterbringung der Obdachlosen erfordere eine gute Koordination. ADRA Haiti habe schon in den ersten Tagen an ausgewählten Orten der Hauptstadt Zelte für Kranke und Kleinkinder aufgestellt. Insgesamt seien laut Neuberg etwa 80 Prozent der Einwohner von Port-au-Prince obdachlos. Daher werde ADRA weitere Zeltlager einrichten und die Versorgung der Menschen organisieren. „Hierbei ist die Herstellung hygienischer Verhältnisse durch den Bau von Latrinen erste Priorität.“ ADRA Deutschland habe eine Wasseraufbereitungsanlage, Wassertanks, Wasch- und Körperpflegemittel auf den Weg ins Katastrophengebiet gebracht.
Neuberg selbst werde jetzt im Westen der Insel arbeiten. In der Stadt Leogane soll ein zweites Einsatzzentrum von ADRA entstehen. Leogane liege noch näher am Erdbebenzentrum als Port-au-Prince. Die ersten Eindrücke zeigten eine bis zu 90 Prozent zerstörte Stadt. „Bisher ist dieser Teil der Insel nur wenig beachtet worden, weil sich alles auf die Hauptstadt konzentriert. Wir werden als ADRA Deutschland uns besonders der Städte auf der Halbinsel annehmen“, meinte Fritz Neuberg. Eine besondere Herausforderung stellten Tausende von Kindern dar, die unbeaufsichtigt umherirrten. ADRA Deutschland sehe hier einen Schwerpunkt ihrer weiteren Arbeit.