Die bleibende Bedeutung des Reformators Philipp Melanchthon, hat der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München), unterstrichen.
Am heutigen 450. Todestag Melanchthons sagte Friedrich in einem Festvortrag in Nürnberg, er sehe in den Anregungen des Reformators auch ein Leitbild für die Gegenwart. So sei sein Plädoyer für die Bildung "ganz aktuell". Heute wisse man mehr denn je, dass Bildung "der Schlüssel für eine intakte Gesellschaft" sei. "Die sozialen Probleme in unserem Land wie auch in den so genannten Entwicklungsländern lassen sich nur durch qualifizierte und qualifizierende Bildung lösen. Sozialhilfe löst die Probleme nicht. In Bildung muss deshalb investiert werden, und zwar von Anfang an, nicht erst in Universitäten." In diesem Zusammenhang sollte bedacht werden, dass Melanchthon nicht nur für Naturwissenschaften, sondern ebenso für Geisteswissenschaften und das Ethos der Gebildeten plädiert habe, also für ihre moralische und ihre Charakterbildung, für Gewissensbildung und eine dem Ethos verpflichtete Haltung. Nicht erst die Bankenkrise lehre dies als notwendig. "Es geht nicht nur darum, Menschen zu bilden, sondern darum, Menschen zu Menschen zu bilden."
Das Denken Melanchthons habe sich immer wieder um die Frage gedreht, wie der gnädige Gott humanere Menschen bekäme. Der Humanismus wie der christliche Glaube forderten und förderten die Wertschätzung der Freiheit und Würde des Individuums. Humanität und Bildung gehörten zusammen. „Wohin eine Gesellschaft kommt, in der die Freiheit und die Würde des einzelnen Menschen nicht zur Bildung gehören, haben uns die nationalsozialistische wie die stalinistische Schreckensherrschaft gezeigt. Es entsteht Barbarei. Menschen werden, wie Melanchthon sagt, zu wilden Tieren. Die Zehn Gebote als Orientierung haben kultur- und religionsübergreifend einen guten Sinn. Das Ziel der Gebote ist nicht das Verbot, sondern das Leben in Wertschätzung des anderen Menschen“, so Friedrich.
Wichtig sei auch, Melanchthons komplementäres Denken von Geistlichem und Weltlichem festzuhalten. "Wo sich Religion als Gegensatz zur bösen Welt versteht, entsteht Fundamentalismus. Wir erleben in unserer Zeit, wohin solches Denken im Christentum, im Islam oder auch im Judentum führt. Da wird Religion zum Kampf gegen die böse Welt und gegen die Andersgläubigen. Aber auch die säkulare Welt, die die Religion für das Böse erklärt, führt zur Selbstüberhöhung, weil sie selbst religiöse Züge annimmt. Beispiele sind der Nationalsozialismus und der Kommunismus, beide überhöhten ihre Ideologie zur Religion. Diesen Verkehrungen entgeht nur, wer – wie Melanchthon – Geistlichem und Weltlichem gleichermaßen je und je sein Recht gibt, auch und gerade in seinem eigenen Leben."
Bedeutsam sei auch Melanchthons Grundsatz "Zurück zu den Quellen!". "Wir sind heute schon fast wieder in spätmittelalterlicher Konsummentalität angelangt, die sich alles aus zweiter Hand vorsetzen lässt. Ob die Medien und die neuen Informationstechnologien Dinge objektiv wiedergeben oder selektieren, filtern und manipulieren, kann nur beurteilen, wer sich Kritikfähigkeit erwirbt. Die aber setzt Sachkenntnis und Verständnis für Zusammenhänge voraus. Darum: Studium der Quellen und nicht nur der Berichte über die Quellen! Zu den Quellen zähle ich dabei auch die Bibel. Nicht, was der 'Stern' oder der 'Spiegel' über Jesus Christus und Themen des Glaubens schreiben, sollte uns leiten", sagte der Leitende Bischof der VELKD.
Landesbischof Friedrich war von 2000 bis 2005 Catholica-Beauftragter der VELKD und gehört seitdem dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Er gilt als engagierter Vertreter der Ökumene in Deutschland und setzt sich für den Dialog zwischen den Religionen ein.
Philipp Melanchthon, eigentlich Philipp Schwartzerdt (geboren am 16. Februar 1497 in Bretten; verstorben am 19. April 1560 in Wittenberg), war ein Philologe, Philosoph, Humanist, Theologe, Lehrbuchautor und neulateinischer Dichter. Als Reformator war er neben Martin Luther eine treibende Kraft der deutschen und europäischen kirchenpolitischen Reformation und wurde auch "Praeceptor Germaniae" (Lehrer Deutschlands) genannt.