„Der fundamentalistische Christ hat sein ängstliches Herz in eine Trutzburg aus Bibelversen gesteckt“, meinte die Stuttgarter Weltanschauungsbeauftragte Annette Kick im Zentrum Weltanschauungen beim 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. Zwischen evangelikalen und fundamentalistischen Christen sei zu differenzieren. Nicht alle Evangelikalen Christen seien auch Fundamentalisten, so Kick. „Fundamentalismus lebt vom Gegensatz. Er braucht den Gegner. Er muss das, was ihm fremd ist, verwerfen.“ Dadurch entstünde ein Schwarz-Weiss-Denken, das einen Dialog nach innen und aussen verhindere. „Fundamentalistische Gemeinschaften sind oft autoritär geführt, weil so ein Pluralismus von Meinungen verhindert wird“, erläuterte Kick. Dass alles in Schwarz oder Weiss eingeordnet werden müsse, führe zu Verschwörungstheorien. Die Heilsgeschichte werde als eine Kampfkonstellation zwischen Gut und Böse verstanden und das Weltende häufig in die unmittelbare Nähe gerückt. Der eigenen Gemeinschaft werde in der Bewährung vor dem Bösen eine bedeutende Rolle zuerkannt.
Nach Ansicht der Hamburger Journalistin Oda Lambrecht seien Evangelikale zumeist auch Fundamentalisten, weil sie ihre Überzeugung für absolut hielten und andere Religionen abwerteten. Andere Christen, welche die evangelikale Sicht nicht teilten, würden aus der Sicht von Evangelikalen den Glauben verwässern. Lambrecht kritisierte, dass Erkenntnisse der Naturwissenschaft von Evangelikalen abgelehnt würden, wenn sie nicht dem eigenem Weltbild entsprächen. Auch dass Homosexuelle von Evangelikalen diskriminiert würden, sei nicht hinnehmbar.
„Ich möchte mich für alles Schlimme entschuldigen, was Homosexuelle durch Evangelikale erfahren haben“, entgegnete Jürgen Werth, Vorsitzender der Evangelischen Allianz. „Wer einem anderen Menschen keinen Respekt entgegenbringt, darf nicht im Namen Jesu sprechen.“ Zugleich betonte Werth, dass Homosexualität nicht dem Schöpfungsauftrag Gottes entspreche. Das träfe jedoch nicht allein auf Homosexualität, sondern auch auf viele andere Bereiche zu.
Für Evangelikale seien die vier „Sola“ der Reformation, nämlich Erlösung allein durch Christus, allein durch Gnade, allein durch Glaube und allein die Bibel als Massstab des Glaubens, verbindlich. In diesem Sinne, so Werth, seien Evangelikale evangelisch im eigentlichen Sinne.
Evangelikale seien jedoch keine Fundamentalisten. Während Evangelikale Fragen zuliessen und offen nach Antworten suchten, würden Fundamentalisten vorgeben, bereits alle Antworten zu kennen, unterschied der Vorsitzende der Evangelischen Allianz.