Während des Ramadans fastete die 17-jährige Hazbije Gashi in einem christlichen Arbeitsumfeld als einzige Muslima. An ihrem Ausbildungsplatz als Bürokauffrau an der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg hielt sie sich an die Vorschriften des Korans, die von den muslimischen Gläubigen im Ramadan Enthaltsamkeit fordern. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders und fiel im Jahr 2011 in den August.
„Die Kollegen haben gestaunt, dass ich das solange aushalte“, berichtet die junge Muslima über ihre Erlebnisse während des Ramadans. An ihrer Arbeitsstelle hat man ihr Fasten respektiert. „Die Kollegen haben zwar Fragen gestellt, aber sich nie eingemischt. Ich finde es ja auch interessant zu erleben, wie andere ihren christlichen Glauben ausüben. Das hat mir auch mehr Freude an meinem Glauben als Muslima gegeben.“
Zwei Jahre vor ihrer Geburt kamen Hazbijes Eltern als Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo nach Deutschland. Nun sind sie in Burg bei Magdeburg zu Hause. In ihrer Schulzeit, so weiß Hazbije Gashi zu berichten, haben sich einige über das Fasten lustig gemacht. „Aber ich nehme ihnen das nicht übel, weil sie unseren Glauben nicht kennen“, meint sie dazu. Richtig ärgerlich findet sie es aber, wenn man ihr empfiehlt, heimlich etwas zu essen, ohne dass es jemandem auffällt. „Ich finde, dass diese Zeit etwas ganz Besonderes ist, weil wir Allah so unsere Liebe beweisen.“ Weil es beim Fasten um die aufrichtige Beziehung zu Allah gehe, passe Unehrlichkeit nicht dazu.
Im Ramadan verzichten fastende Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Das Leben verläuft stiller. In den Mittelpunkt rücken die fünf Gebete, die dem Tag seinen Rhythmus geben. Ein Diskobesuch ist im Ramadan für Jugendliche genauso tabu wie der Geschlechtsverkehr für Ehepartner. Um genügend Kraft für den Tag zu bekommen, stand Familie Gashi in den Ramadanwochen täglich um 3 Uhr auf. Sie aßen gemeinsam, solange es dunkel war. Danach gingen sie wieder schlafen. Die nächste Mahlzeit, das Fastenbrechen am Abend, gab es erst gegen 20.30 Uhr. „Während der Fastenzeit fühlte ich mich kaputt, schlapp und als ob ich keine Kraft mehr hätte“, beschreibt Hazbije Gashi ihre Erfahrung. „Im Mundbereich fühlt es sich total ekelig an. Auch mit der Konzentration ist es anfangs echt schwer, da man während der Zeit nur ans Essen und Trinken denkt. Mit der Zeit klappt das aber ganz gut.“
So groß die Herausforderung tagsüber ist, so groß ist die Freude am Abend, wenn das Fasten mit Sonnenuntergang unterbrochen wird. „Ich finde es toll, dass alle am Tisch sitzen und zusammen das Essen genießen. Während der Fastenzeit werden Freunde und Familie zum Essen eingeladen, und man bekommt selber Einladungen. Das ist etwas ganz Besonderes“, berichtet Hazbije Gashi. Bevor das Fastenbrechen beginnt, wird ein Gebet gesprochen. „Dann trinken wir einen Schluck Wasser und beginnen gemeinsam zu essen. Bei uns in der Familie ist es Pflicht, dass alle Leute, auch die, die nicht fasten, zusammen am Tisch sitzen und essen.“ Jeden Tag kaufte ihr Vater für das Festessen am Abend frisches Obst und Gemüse. „Es gibt die Regel, dass man den Magen nur zu drei Viertel füllt. Aber daran hält sich kaum jemand“, sagt Hazbije Gashi lachend. „Es haben doch alle Hunger!“ Diejenigen, die sich aus der Familie nicht am Fasten beteiligen, dürfen aber tagsüber auf keinen Fall im Beisein der anderen essen. Kinder, Schwangere und Kranke sind im Islam vom Fasten ausgenommen. Hazbije Gashi fastet seit ihrem siebten Lebensjahr.
Mit dem dreitägigen Fest des Fastenbrechens, dem Ramazan Bayramý, endet der Ramadan. Am ersten Festtag stand Familie Gashi früh auf. Die Männer gingen in die Moschee, die Frauen beteten zu Hause und begannen mit Kochen und Putzen. „Wenn die Männer kommen, gratulieren wir uns gegenseitig zum Bajramfest. Wir essen gemeinsam, und für jeden gibt es Geschenke. Wir ziehen uns gut an und verbringen das Fest mit Freunden und Bekannten. Es gibt viel Süßes, und wir tanzen, singen und lachen. Dieses Fest ist wie Weihnachten für andere.“ Auch eine Spende an Bedürftige sei obligatorisch.
Überhaupt ist der Ramadan für Hazbije Gashi eine Zeit, in der man besonders auf die Mitmenschlichkeit achtet. So anstrengend das Fasten auch sei, so sehr stärke das gemeinsame Erleben auch die Beziehungen in der Familie und zu Freunden. Aus diesem Grund ist für Hazbije Gashi der Ramadan eine wunderschöne Zeit. Sie sei sich sicher: „Ramadan kommt von Herzen.“