Für einen Gleichschritt von Ökumene und Neuevangelisierung hat sich Kurienkardinal Kurt Koch ausgesprochen, wie „Kathpress“, Katholische Presseagentur Österreich, meldet. Die Ökumene als aktive Suche nach der Kircheneinheit und die Neuevangelisierung Europas seien gewissermassen "Zwillingsschwestern". Überzeugend könne die Kirche das Evangelium heute nur verkünden, wenn sie "mit einer Stimme spricht", betonte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen am 3. September bei einem Vortrag im Stift Heiligenkreuz, bei Wien, anlässlich der Eröffnung des Semesters der stiftseigenen Philosophisch-Theologischen Hochschule. Laut Kardinal Koch könne heute „die Neuevangelisierung nur mit einem ökumenischen Notenschlüssel glaubwürdig wahrgenommen werden.“
Die weiterhin bestehende Spaltung der Kirche sei ein "Skandal", der "der Glaubwürdigkeit der Kirche schadet", so Koch. Eine Überwindung der Spaltung könne etwa durch eine neue Konzentration auf eine gemeinsame Linie in ethischen Fragen gelingen oder in einer Besinnung auf eine "Ökumene der Märtyrer". So hätten gerade die christlichen Märtyrer durch ihr Lebenszeugnis - etwa in den Konzentrationslagern des letzten Jahrhunderts - zugleich ein Zeugnis von der Einheit der Christenheit gegeben.
Im Weiteren unterstrich der Kardinal laut „Kathpress“, dass das Projekt der Neuevangelisierung gerade auch in der zentralen Konzentration auf die Gottesfrage auf die Ökumene verweise: "Heute ist es die Gottesfrage, die viele Menschen bewegt, und die damit auch an die ökumenischen Türen klopft." Angesichts einer weitgehenden Verdrängung der Kirchen aus der Öffentlichkeit und einer zugleich auftretenden "neuen Götterdämmerung" in Form einer "Vergötzung irdischer Wirklichkeiten" sei eine "Neuevangelisierung in ökumenischer Offenheit" massiv gefragt: etwa bei der Verteidigung der Menschenwürde oder im Lebensschutz.
Ökumenischer Gleichschritt in ethischen Fragen
Gerade im Bereich des Lebensschutzes gebe es in jüngster Zeit jedoch "massive Spannungen" - etwa in der unterschiedlichen Bewertung der neuen biomedizinischen technischen Möglichkeiten. „Neuevangelisierung ist nur dann ökumenisch möglich, wenn die christlichen Kirchen sich gemeinsam insbesondere den biomedizinischen Revolutionen stellen", sagte Koch. Wo die Kirche nicht geeint das Leben verteidige, drohe nach einem öffentlich zelebrierten "Tod Gottes" schliesslich "der Tod des Menschen", mahnte der Kardinal.
Der im Vatikan für Ökumenefragen zuständige Kardinal Koch habe daran erinnert, dass der tiefe Zusammenhang von Ökumene und Neuevangelisierung bereits vor rund 100 Jahren bei der ersten Weltmissionskonferenz 1910 im schottischen Edinburgh unterstrichen worden sei - damals freilich noch vor dem Hintergrund einer negativen Wertung des Begriffs der Mission aufgrund einer Vermischung mit Kolonialisierung und Imperialismus. Heute gelte es dagegen, einen positiven Missionsbegriff zurückzugewinnen und Mission als einen "freiheitlichen Vorgang der Kommunikation" und als einen "belebenden Dialog" zu verstehen.
Dass das Ziel allen christlichen Strebens die Einheit der Kirche sein müsse, sei letztlich nicht nur katholischerseits in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils klar festgehalten, so Koch weiter; auch der evangelische Theologe Wolfhart Pannenberg habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die Reformation des 16. Jahrhunderts immer noch "vollendet" werden müsse: und zwar in der Wiederherstellung der christlichen Einheit. Denn - so Koch im Anschluss an Pannenberg - die Kirchenspaltung in Folge der Reformation habe erst einem Säkularismus Tür und Tor geöffnet, der die Kirchen in der Öffentlichkeit marginalisiert und Religion ins Private verdrängt habe. "Die Überwindung der Spaltung ist daher auch die Voraussetzung zur Wiedererlangung der öffentlichen Bedeutung der Kirchen", so Koch.