“Ungarns Adventisten und Methodisten befinden sich gemeinsam mit weiteren 80 Kirchen und Religionsgemeinschaften, die nach der Einführung des neuen Kirchengesetzes um staatliche Anerkennung nachgesucht hatten auf der „Warteliste“, sagte Pastor Tamás Ócsai, Präsident der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Ungarn. Der Parlamentsentscheid über die Rechtsstellung der Kirchen werde am 29. Februar gefällt. Solange hätten diese Glaubensgemeinschaften den Status einer vorläufigen Anerkennung. „Aus Gesprächen mit Regierungsvertretern schliessen wir, dass für uns Hoffnung besteht, Ende Februar die staatliche Anerkennung wieder zu erlangen“, so Pastor Ócsai.
Das vom ungarischen Parlament am 11. Juli 2011 verabschiedete Kirchen- bzw. Religionsgesetz wurde vom Verfassungsgericht am 19. Dezember 2011 aus formalen Gründen als nicht anwendbar erklärt. Das neue Kirchengesetz sprach 14 Kirchen und Religionen die staatliche Anerkennung zu und entzog sie 344 anderen. Zu diesen gehören auch die Adventisten und die evangelisch-methodistische Kirche (EMK). Laut Bischof Patrik Streiff, Leiter der EMK in der Schweiz und in Ungarn, sowie in dreizehn Ländern Mittel- und Südeuropas, ist die EMK die einzige Mitgliedskirche des ökumenischen Rates in Ungarn, die nicht anerkannt wurde. Am 30. Dezember 2011 verabschiedete das ungarische Parlament eine leicht überarbeitete Version des Kirchengesetzes.
Geändertes Vorgehen bezüglich Anerkennung
Eine nicht unwesentliche Neuerung bringe das Ende Dezember 2011 verabschiedete Kirchengesetz bezüglich der Frage, wer die Entscheidung über die offizielle Anerkennung einer Kirche oder Religionsgemeinschaft treffe, schreibt der EMK-News-Dienst. „Zwar liegt die Entscheidung nach wie vor in den Händen des Parlaments“, das mit Zweidrittelmehrheit der Anerkennung zustimmen müsse, „es wird nun aber die Akademie der Wissenschaften sein, welche das dafür notwendige wissenschaftliche Gutachten erstellen wird.“ Zu den Zulassungskriterien zähle eine Mitgliedschaft von 1.000 Personen sowie 20 Jahre Präsenz der Glaubensgemeinschaft in Ungarn.
"Eine positive Verbesserung des Ende Dezember verabschiedeten Gesetzes besteht darin, dass es religiösen Gemeinschaften die Verwendung des Begriffs ‚Kirche‘ nicht verbietet, selbst wenn diese nicht vom Parlament anerkannt werden", sagte Pastor Tamás Ócsai. Kirchen, die das Parlament nicht offiziell anerkenne, würden den Status eines „religiösen Vereins“ erhalten, so Ócsai.
Privilegien anerkannter Glaubensgemeinschaften
„Staatlich anerkannte Kirchen erhalten finanzielle Zuwendungen für ihre sozialen Dienste, wie Alters- und Pflegeheime“, sagte Pastor Ócsai, „oder Zahlungen pro Schüler, die an privaten höheren Schulen studieren, sofern diese den staatlichen Vorgaben entsprechen.“
Wie EMK-Bischof Streiff in einem Beitrag des Schweizer Radios (DRS 2) ausführte, gehörten zu den Privilegien der staatlich anerkannten Kirchen, dass die Steuerzahler ein Prozent ihrer Steuern für eine dieser Glaubensgemeinschaften und ein weiteres Prozent für die sozial-diakonische Arbeit in Institutionen anerkannter Kirchen bestimmen könnten.
Position der ungarischen Regierung
Die Tatsache, dass die ungarische Regierung die Art und Zahl der Kirchen mit einem Anspruch auf staatliche Fördermittel begrenzen wolle, könne schwerlich als eine Bedrohung der Religionsfreiheit bezeichnet werden, schreibt Zoltan Kovacs, ungarischer Regierungssprecher in einem Gastkommentar des Wall Street Journals.
Laut Kovacs verbiete die Regierung niemandem seine Art zu glauben. Da mit der offiziellen Anerkennung aber finanzielle Zuwendungen des Staates verbunden seien, habe dieser das Recht, die Kriterien für die Anerkennung festzulegen, so der Regierungssprecher. Religionsfreiheit und staatliche Anerkennung einer Glaubensgemeinschaft stelle keinen Konflikt dar, denn in Grossbritannien sei die Anglikanische Kirche Staatskirche und niemand sehe darin eine Bedrohung der Religionsfreiheit.
Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten wurde 1912 in Ungarn gegründet. Es versammeln sich 4.683 erwachsen getaufte Adventisten in 110 Kirchgemeinden zum Gottesdienst. Sie unterhalten ein Theologisches Seminar, ein Medienzentrum sowie ein Alters- und Pflegeheim.