Die Autostadt Toljatti, mit 720.000 Einwohnern, sei die erste grosse russische Stadt seit der zaristischen Ära, in der ein Protestant zum Bürgermeister gewählt worden war, berichtete der Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz (REA).
Bei einer Stichwahl in der Stadt Toljatti, die 1.000 Kilometer südöstlich von Moskau an der Wolga liegt, habe der parteilose Evangeliumschrist Sergei Andrejew (39) am 18. März für landesweites Aufsehen gesorgt. Mit 57 Prozent der Stimmen habe er Alexander Schachow, den Kandidaten von Putins Staatspartei “Einiges Russland” klar besiegt. Dies sei laut der englischsprachigen „Moscow Times gelungen, obwohl die nationale Regierung bereits Milliarden Rubel in die bankrotte Autofirma AvtoVAZ gepumpt habe. AvtoVAZ ist Toljattis Hauptarbeitgeber. Die Firma hiess früher Lada und war gemeinsam mit dem italienischen Fiat-Konzern gegründet worden.
Laut REA sei im Vorfeld der Wahl Stimmungsmache gegen religiöse Minderheiten betrieben worden. Zwei Wochen vor den Wahlen seien anonyme Plakate aufgetaucht, welche die orthodoxe Kathedrale Toljattis von hellem Sonnenlicht bestrahlt gezeigt hätten. Daneben sei in dunklen, grauen Farben und von einem schwarzen Raben umkreist, das örtliche baptistische Bethaus zu sehen gewesen.
In einer Stellungnahme am 15. März habe die Moskauer Zentrale der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) gegen das anonyme Plakatieren protestiert sowie gegen das anhaltende Schweigen der kommunalen Behörden dazu. RUECB-Präsident Alexei Smirnow habe laut dem Bericht den Behörden „religiösen Rassismus“ und Gleichgültigkeit gegenüber dem „Schüren interkonfessionellen Hasses“ vorgeworfen. Er habe dazu aufgerufen, „die konfessionellen Unterschiede innerhalb einer einzigen christlichen Tradition bei Wahlen“ nicht mehr polemisierend darzustellen.
„Ich bin weder Scientologe, Baptist noch Hare Krishna. Ich bin Evangeliumschrist“, sagte der neue Bürgermeister in einem Interview. Nach Angaben von REA ist Sergei Andrejew Mitglied der kleinen „Assoziation der Missionarischen Kirchen der Evangeliumschristen“ mit zwölf Gemeinden in Russland und weiteren dreizehn in der Ukraine.