Die Revolution in Ägypten ist nach Einschätzung des mit der römisch-katholischen Kirche unierten koptisch-katholischen Bischofs Kyrillos William von Assiut (Oberägypten) nicht religiös motiviert gewesen. Es sei vielmehr um soziale Probleme wie Armut und Arbeitslosigkeit gegangen, sagte William zum Podiumsthema „Verhältnis von Christentum und Islam – ein Jahr nach dem arabischen Frühling“ beim Katholikentag in Mannheim. Muslime und Christen hätten gemeinsam für Veränderungen gekämpft. Die Islamisten wären erst später aktiv geworden; doch die Ägypter wollten keinen islamischen Staat.
Der Bischof räumte allerdings ein, dass es bei den vergangenen Wahlen eine religiöse Polarisierung gegeben habe. Nahezu 70 Prozent der neuen Parlamentsmitglieder seien Muslimbrüder und Salafisten. Er wies zugleich den Eindruck zurück, es gebe in dem Land eine Christenverfolgung. Der Geistliche sprach jedoch davon, dass die Christen unter Diskriminierung und Nachteilen litten. Sie wären Bürger zweiter Klasse. Aber es gebe auch auf offizieller Ebene immer wieder den Dialog. Zurückhaltend äusserte sich Kyrillos zu den Muslimbrüdern. Sie zeigten zwar den Willen zur Zusammenarbeit, aber er traue ihnen noch nicht so ganz. Der Bischof hob hervor: „Wir Kopten sind Ägypter. Deshalb rufen wir die Gläubigen auf, im Land zu bleiben und hier zu wirken.“ Auswanderung sei keine Lösung.
Kritischer äusserte sich das Oberhaupt der Koptisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland, Bischof Anba Damian. Das „zarte Pflänzchen“ der ägyptischen Revolution sei schnell durch Armee und Islam erstickt worden, kritisierte er. Er verwies auf zahlreiche Fälle der Gewalt, bei der Kopten getötet worden seien. Auch die Diskriminierung der christlichen Minderheit halte in Ägypten an. Nicht zu tolerieren wären die ständigen Entführungen von koptischen Mädchen und jungen Frauen. Dennoch bestehe Hoffnung auf eine Normalisierung. Der Bischof forderte die Achtung der Religionsfreiheit in den arabischen Ländern. „So wie Muslime sich in Deutschland entfalten und Moscheen bauen können, muss es auch möglich sein, dass sich Christen in ihrem Heimatland Ägypten entfalten können“, betonte er.
Eigentlich habe sich die Lage der Christen nach dem arabischen Frühling nicht geändert, informierte Dr. Otmar Oehring, Leiter der Fachstelle Menschenrechte bei „missio“ in Aachen. „Die Lage war vorher prekär und sie ist es immer noch.“ Islamische Gruppen versuchten an die Macht zu kommen. Es bleibe laut Oehring abzuwarten, wie die Entwicklung weitergehe und ob es gelinge, islamische Werte mit den Werten der Demokratie zu verbinden. Die Wahrung der Menschenrechte, einschliesslich der Religionsfreiheit, sei die Grundvoraussetzung für die Aufnahme der Türkei in die Europäische Gemeinschaft, betonte Ute Granold (CDU), Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages.